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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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und zwei alte Frauen in perlenbesetzten, antiquierten Kleidern wehten herein.
    Sie segelten ebenfalls auf den Tisch zu, auch sie hatten diese Augen.
    » Rachaela ist hier«, bemerkte Anna überflüssigerweise, da die Augen den Neuankömmling ohnehin schon zu verschlingen schienen.
    » Rachaela, das ist Alice, und das hier Sascha.«
    » Guten Abend«, sagte Rachaela, um sie zu testen.
    Alice im pflaumenfarbenen Kleid antwortete mit einem kleinen, schnellen Zucken ihrer Hände. Sascha im Spitzenkragen antwortete: » Guten Abend, Rachaela.«
    Wie Anna und Stephan sprach sie mit völlig akzentfreier Stimme, obwohl eigentlich ein fremdartiger Akzent zu hören sein müsste. Eigentlich sollten sie alle irgendeinen Dialekt eines bergigen europäischen Hochlands sprechen.
    » Hattest du eine angenehme Reise?«, fragte Alice abrupt mit Annas und Stephans Stimme.
    » Eigentlich nicht«, antwortete Rachaela.
    » Oh, das tut mir leid«, meinte Alice, ihr Gesicht verzog sich besorgt.
    » Das Reisen ist heutzutage so ermüdend. So strapaziös. Niemand ist mehr hilfsbereit.«
    » Nun, Alice, wann bist du denn das letzte Mal irgendwohin gereist?«, tadelte Anna scherzhaft.
    » Ich erinnere mich noch sehr genau«, antwortete Alice aufgebracht, » diese großen, schwarzen Eisenbahnen und all der Dampf und Qualm. Sie waren so schmutzig. Ich erinnere mich, dass mein Hut fast davongeweht wurde und Peter ihn einfangen musste.«
    Rachaela musste unwillkürlich an eine russische Schneelandschaft denken, in deren Mitte das urtümliche Monster einer Eisenbahn, um das Funken und Dampfwolken stoben.
    » Es ist schon Jahre her, dass einer von uns sich weiter weg gewagt hat«, bemerkte Stephan über die Käseplatte hinweg. » Wir haben nur wenig Bedürfnis danach.«
    » Wir wurden vertrieben«, sagte Alice an Rachaela gewandt. Ihr Gesicht wirkte immer noch wie eine Maske, jedoch eine ziemlich mitteilsame Maske. Ihre Augen fixierten Rachaela, um zu sehen, wie sie reagieren würde.
    » Aus dem Land vertrieben.«
    » Die Pogrome«, ließ sich Sascha plötzlich vernehmen.
    Rachaela saugte das fremde Wort gierig in sich auf. Sie hatten etwas von sich preisgegeben.
    » Unsere Geschichte ist nicht immer friedlich verlaufen«, sagte Anna, ihre Stimme klang weder warnend noch vorwurfsvoll. » Aber es ist noch zu früh, um Rachaela mit der Vergangenheit zu belasten. Sie hat solche Dinge nie erfahren, und vielleicht wird sie das auch niemals.«
    » Alte Narben«, tönte Stephan. Er schob seinen Teller weg. » Alte Geschichte. Die Familie hat schon sehr viel ertragen müssen.«
    Von irgendwoher, vielleicht sogar aus diesem Raum, ertönte der entfernte Glockenschlag einer Uhr.
    » Der richtige Zeitpunkt ist noch nicht gekommen«, sagte Anna, immer noch klang keine Warnung in ihrer Stimme. Rachaela zitterte angesichts der Macht des Einklangs in diesem rechteckigen Raum.
    Es gab viele von ihnen, wie viele wagte sie sich in diesem Moment nicht einmal vorzustellen. Ein Schwarm, die Scarabae, und schwer beladen mit einer Geschichte, die nicht ihre eigene war, und die doch, durch die familiäre Beziehung, zu ihrer eigenen werden musste. Sie spürte die schrecklichen Verknüpfungen. Sie glaubte jetzt, dass sie mit ihnen verwandt war, hatte in diesen wenigen, eigenartigen Stunden, die sie hier verbracht hatte, irgendwie die Bestätigung dafür erhalten. Alice bemerkte mit ihrer einwandfreien Stimme: » Sie wird die Bibliothek sehen.«
    Anna ließ ein kleines Lachen hören, das wie eine zerbrochene Tonleiter klang.
    » Die Bibliothek!«
    » Sylvian war heute dort beschäftigt«, sagte Stephan.
    Sie seufzten wie aus einer Kehle. Das riesige Haus wimmelte von diesen Kreaturen, doch sie waren völlig eins; die Facetten eines Ganzen bildeten eine Einheit. Und sie, Rachaela, wie würde sie da hineinpassen? Sollte sie absorbiert, völlig vereinnahmt werden?
    » Anna«, sie zwang sich dazu, den Namen herauszupressen, als sei es Hexenwerk, diese Menschen mit Namen anzusprechen. » Ich bin furchtbar müde. Würdet ihr mich entschuldigen? Ich möchte zu Bett gehen.«
    » Du musst genau das tun, was du tun willst, Rachaela. Neben dem Kamin in deinem Zimmer befindet sich eine Klingel. Wenn du irgendetwas wünschen solltest, werden sich Michael, Cheta oder Maria darum kümmern. Hat Carlo deine Koffer nach oben gebracht?«
    » Irgendjemand hat es getan.«
    » Ja, das war dann Carlo. Er ist unser Starker.«
    Rachaela erhob sich. Sie war größer als alle anderen. Anna und Stephan,

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