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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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unteren Turmtür kratzte. Eine Woge des Mitgefühls überkam sie. Sie ging auf den Kater zu und streichelte seinen Kopf. Das Fell fühlte sich struppig an und knisterte vor Elektrizität; ihr Streicheln schien dem Kater jedoch nicht unangenehm zu sein.
    » Ausgesperrt«, sagte sie, drückte aber trotzdem die Klinke herunter. Obwohl sie sonst immer versperrt gewesen war, gab sie jetzt nach. Der Kater schlängelte sich durch den Spalt, und Rachaela folgte ihm. Zwei weitere Türen flankierten den Treppenaufgang, ihr fehlte jedoch der Mut, sie auszuprobieren. Sie kam zu dem Treppenabsatz, auf dem sich die zweite Tür befand, und gelangte so in den weitläufigen oberen Raum mit dem Klavier. Das Löwenfenster wirkte dunkel und abweisend, doch auf dem Klavier brannte eine Lampe, ebenso auf dem Kaminsims. Das Feuer brannte hoch, und auf dem Tisch lagen die Reste eines Abendessens. Adamus hatte all diese Hinweise hinterlassen, war jedoch selbst abwesend.
    Der Kater schlich zum Kaminfeuer und ließ sich wohlig davor nieder.
    Rachaela setzte sich ans Klavier und ließ ihre Finger zart über die Tasten gleiten.
    Adamus erschien nicht, und nach ungefähr einer Stunde verließ Rachaela den Raum wieder. Der Kater schlief neben dem Feuer.
    Sie bekam Adamus fünfzehn Tage und Nächte lang nicht zu Gesicht, rüttelte bei drei weiteren Gelegenheiten an den beiden Türen, nur um sie verschlossen zu finden.
    Es kam ihr der Gedanke, dass er ebensolche Angst vor ihr haben könnte wie sie vor ihm.
    Sie wollte niemals wieder in seine Nähe kommen, fühlte sich jedoch magisch von ihm angezogen wie eine Motte vom Licht.
    Eines Morgens wurde ein Brief unter ihrer Tür durchgeschoben. Er war an Miss R. Smith adressiert. Dieser zwanglose Ton ärgerte sie, als wolle er sie verspotten. Zuerst ließ sie den Brief ungeöffnet, die einzige Post, die sie wahrscheinlich im Haus der Scarabae erhalten würde. Schließlich öffnete sie ihn doch.
    Rachaela,
    ich habe Deinen Duft im Zimmer gerochen. Auf den Klaviertasten lag ein langes, schwarz gelocktes Haar. Du hast also doch etwas von Deiner Mutter – diese zarten Locken in Deinem Haar. Ein Besuch, und ich war nicht da. Komm heute Nachmittag. Was möchtest Du gerne hören? Chopin? Prokofjew? Ravel? Ich erwarte Dich.
    Dieses Mal hatte er mit » Adam « unterschrieben. Der Brief war unehrlich und doch einladend.
    Sie fühlte sich wie ein Mädchen, das die Schule schwänzt – ihr war vor Aufregung übel, ihr Herz pochte heftig.
    Sie würde nicht gehen. Um sich für ihre Gier zu bestrafen. Sie zog das grüne Kleid an und legte die Kette aus Glasperlen an. Sie benutzte niemals Parfüm. Ihr Duft … Es konnte nur der Duft ihrer Haut und ihres Haares sein, ein fremder Geruch in seinem Turm.
    Sie machte sich auf, als die schwarze Uhr auf vier Uhr fünfzehn stand, etwa ein Viertel nach drei nachmittags, als ginge sie zu einer Verabredung. Was der Fall war.
    Sie benutzte die geheime Tür an der Hintertreppe und fand sie unverschlossen.
    Das bunte Fenster und der lohfarbene Löwe mit dem rostbraunen Krieger beherrschten die Atmosphäre des Raumes und verliehen ihm einen seltsamen Anstrich. Die Deckenbalken trugen einen gelben Rand.
    Er stand vor dem Feuer, las in einem alten, schimmlig schwarzen Buch, wie ein Überbleibsel aus Mister Gerards Laden.
    Als sie eintrat, legte er das Buch aus der Hand, ohne die Seite zu markieren.
    » Du bist gekommen.«
    » Ja.«
    Angesichts seines langen Haares und seiner Jugend fühlte sie sich schüchtern und unbeholfen. Nach ihrer ersten Begegnung waren ihre Träume wiedergekehrt. Sie wünschte, er wäre so alt wie das Buch, oder dass sie sich nicht auf diesen Besuch eingelassen hätte.
    » Komm ans Feuer«, sagte er, und sie ging auf ihn zu.
    Er hat Angst. Er hatte Angst vor ihr, trotz ihrer Unbeholfenheit. Ihre einzige Verständigungsmöglichkeit war die Musik.
    » Wirst du Prokofjew spielen?« Nur widerwillig baute sie ihm diese Brücke.
    » Was immer du möchtest.«
    » Kennst du so viele Stücke?«
    » An manchen Tagen, in manchen Nächten ist es das Einzige, was ich mache.«
    Sie stellte ihn sich in dem dunklen Turm vor, die von der See beherrschte Atmosphäre angefüllt mit zornigen Noten und Harmonien. Der Kater war nicht anwesend. Sie sah ihn nur noch im Zusammenhang mit ihm.
    Sie setzte sich in denselben Sessel wie beim letzten Mal.
    Entspannte er sich ein wenig? Er ging zu dem Klavier, und die Musik setzte augenblicklich ein.
    Es war, als würde er sich mit ihr

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