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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Zwischenzeit hatten Carlo und Michael den Wassermann erreicht. Sie krabbelten um ihn herum, hoben ihn hoch und zerrten ihn zum Strand hinunter. Sie schafften es nicht ganz. Rachaela hörte, wie Carlo einen Warnruf ausstieß. Der Wassermann polterte über die Felsen auf den Strand, nachdem er, wie Sylvians Leiche zuvor, mehrere Male gegen die Klippen gestoßen war.
    Carlo sprang hinterher, und Michael folgte ihm.
    Die Galionsfigur blieb auf dem Strand liegen. Die zwei Männer hatten sie erreicht und zogen sie auf den Leichnam zu. Sie schleppten sie neben Sylvians Körper und legten sie an seine Seite.
    Würden sie Sylvian an der Figur festbinden und die beiden mit der einsetzenden Ebbe gemeinsam aufs Meer hinausschicken?
    Die Scarabae versammelten sich erneut um den Leichnam. Sie erwartete irgendeinen zittrigen Singsang, eine wilde Hymne, die aus ihren Kehlen dringen würde, doch sie gaben keinen Laut von sich.
    Weit draußen auf dem Meer wiegten sich weiße Schaumkronen. Eine orangerote Blume erblühte in Carlos Hand. Es war ein Streichholz. Der weiche, feuchte Wind wollte es nicht brennen lassen.
    Rachaela sah, wie Michael das schwarze Rechteck in die Hand nahm, den Deckel abschraubte und die Flüssigkeit über Sylvian und all das Treibholz, das sie um ihn herum angehäuft hatten, und auch auf die kleinen Holzscheite goss.
    » Sie werden ihn verbrennen.« Sie hatte laut gesprochen. Ohne ein Gebet oder Gesang würden sie ihren Toten am Ufer des Meeres einäschern, wie alte Kleider oder anderen Unrat.
    Eine zweite Flamme erwachte in Carlos Hand. Sie flog auf den Scheiterhaufen. Ein paar Augenblicke lang geschah nichts, und dann schoss eine riesige blaugelbe Stichflamme in den Himmel.
    Einige der Scarabae traten ein paar Schritte zurück. Andere wiederum rieben ihre kalten Hände über dem Feuer. Vom Tod gewärmt.
    Rachaela drang Rauchgeruch in die Nase und schrecklicher Gestank. Sie presste das Gesicht gegen die Klippe und würgte. Doch der Wind blies den Geruch fort. Es war zu kalt, als dass er länger hängenblieb.
    Einer von ihnen, Eric, hatte sich ein paar Schritte entfernt, und kehrte nun mit einer weiteren Gabe zurück. Schwer und weiß hing die tote Möwe, die er am Ufer gefunden hatte, in seiner Hand.
    Er warf sie in Sylvians Lagerfeuer. Ein zorniger Funkenregen stob empor. Und dann fingen sich einige der Federn im Wirbelsturm der Hitze und flatterten brennend in die Luft. Federkiele zum Auslöschen von Zeilen in den Büchern des Feuers und der Nacht.
    Wenn das Feuer ihn verschlungen hätte, würden sie fortgehen und Sylvians schlanke Knochen der Flut überlassen. Der Ozean würde sie sich einverleiben, sie auf ewig polieren und in Korallen verwandeln.
    Der Wassermann knisterte, und aus seinem Schwanz und Bauch drangen lodernde Flammen.
    Sie musste zurück.
    Rachaela lehnte sich an die Klippe, das Feuer glomm neongelb in ihren Augen.

7
    Das Licht des Morgens verlieh Cheta eine kohlgrüne Farbe. Sie verstaute gerade die schweren, aufs kleinste zusammengefalteten Leinenbeutel in den Taschen ihres Mantels. Carlo stand daneben, und hinter ihm schimmerte der Gaskocher in dem meergrünen Licht des Fensters.
    » Sie werden wieder mit uns kommen, Miss Rachaela.«
    Rachaela nickte. » Ja.«
    Vielleicht hielt sie sie auf. Pech.
    Sie machten sich auf den Weg, fort von dem Ort, an dem die gefährlichen Stufen zur Bucht und den Überresten von Sylvian im Wasser führten.
    Es war ein kristallklarer, sonniger, eisiger Morgen, ihre Fausthandschuhe und Sonnenbrillen wirkten nicht mehr so unpassend. Die Landschaft erstrahlte im gleißenden Licht der Sonne. Wie zuvor sangen Vögel im Gebüsch, die Heide war dieselbe, hell und öde. Die Aussicht auf den langen Marsch machte Rachaela nervös, und gleichzeitig drehte sich ihr vor Anspannung der Magen um. Sie trug die schwarze Tasche lässig über der Schulter. Das Gewicht erdrückte sie.
    Sie kamen durch das Drachengebiet und erreichten die menschenleere Straße. Wie zuvor gingen Carlo und Cheta mitten auf der Fahrspur weiter. Man konnte lange vorher hören, wenn ein Auto kam.
    Irgendeine Distelart hatte sich durch den Asphalt gebohrt.
    Sie liefen zwischen den Hecken hindurch. Rachaela sehnte sich nach dem Meilenstein, den das ausgebrannte Bauernhaus für sie darstellte, doch es dauerte ewig, bis sie es erreichten. Ihr ganzer Körper schmerzte, als wäre sie seit Wochen nicht mehr gelaufen.
    Endlich stieg die Straße an, und das Tal breitete sich vor ihnen aus wie ein

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