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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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bequeme Reise werden, doch das hatte sie auch niemals angenommen.
    » Eine lange Fahrt«, sagte der Lieferwagenmann. » Muss Sie um einen Fünfer bitten. Wegen dem zusätzlichen Gewicht und Benzin«, erklärte er einfältig, während er René und Rachaela fast vom Sitz drückte. Als der Wagen anfuhr, blickte Rachaela aus dem geöffneten Seitenfenster zurück. Sie sah Carlo, mit den riesigen Kanistern in beiden Händen; er starrte ihr nach. Er wurde kleiner und kleiner.
    Während der Fahrt redeten der Lieferwagenmann und seine Frau unablässig. René bat Rachaela, das Fenster zu schließen, und im Lieferwagen wurde es heiß und stickig. Im Wagen breitete sich der Geruch von Lebensmitteln und Waschpulver aus. Hinter ihnen rummste und polterte es, als wären irgendwelche Ungetüme darauf bedacht, das Gleichgewicht zu halten.
    » Das war das Olivenöl. Ich hab’ dir doch gesagt, dass es nicht richtig sicher steht«, sagte René.
    Sie sprachen nicht den hiesigen Dialekt, sondern hatten einen Londoner Akzent, vielleicht ein Zeichen?
    Rachaela versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was sie tat, doch ihre Flucht machte sie nervös, und das nicht enden wollende Geschwätz und die zahllosen Fragen lenkten sie ab und ermüdeten sie.
    » Ich hätte große Lust auf Rinderbraten zum Abendessen«, sagte der Mann immer wieder.
    » Es gibt Fischstäbchen oder gar nichts«, schnauzte ihn René jedes Mal an. Sie wandte sich an Rachaela. » Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, aber es muss schon ein komisches, altes Volk sein, das da oben in dem Haus wohnt. Arbeiten Sie dort?«
    » Ja, genau.«
    » Muss schon ziemlich lästig sein, dort oben so festzusitzen. Was machen Sie denn so?«
    » Was meinen Sie?«
    » Ich meine, was für Arbeit haben die Ihnen gegeben?«
    » Ich tippe ein Buch für sie«, erwiderte Rachaela aufs Geratewohl.
    » Oh Gott, Sie wollen damit doch wohl nicht sagen, dass die da oben wirklich Bücher schreiben.«
    » Memoiren.«
    » Oh, Memoiren.«
    Wie viel wussten sie über das Haus? Offenbar nicht viel.
    » Seltsam, diese Dienerschaft, nicht? Heutzutage. Wer würde schon so eine Arbeit machen wollen? Erniedrigend. Nur zwei oder drei alte Hennen und diese ganze Dienerschaft, die um sie herumrennt.«
    Auf einem Feld stand eine Kuh, mutterseelenallein, kein Haus in Sicht. » Sehen Sie die Kuh? Ich hätte wirklich große Lust auf ein bisschen Rinderbraten.«
    » Entweder Fischstäbchen oder gar nichts.«
    Die einsame Landschaft füllte sich allmählich mit Dörfern an, die nicht böse und abgetakelt wirkten wie der Ort mit den toten Autos, sondern mit ihren Gärten und dem Efeu in Kübeln, der Wäsche auf der Leine, und hier und da einer Schaukel oder einem Kind, das auf dem Rasen mit einem Hund spielte, recht hübsch anzusehen waren.
    Auf den Feldern wuchs das Getreide, sauber und gepflegt, mit großen Bäumen als Windschutz. Die immer breiter werdende Straße war von Hecken begrenzt. Nach einer Stunde überholte sie ab und zu ein Auto und einmal sogar ein Bus.
    Schließlich erreichten sie die breite Landstraße. An der Straße standen Häuser, aus Stein, auch mit Gips und Rauputz veredelt, helle rote Vordertüren, Auffahrten, mit Motorrädern.
    » Wohin müssen Sie?«, fragte der Lieferwagenfahrer.
    » Einfach in die Stadtmitte.«
    » Da fahren wir nicht hin«, warf René schnell ein.
    » Ich lasse Sie in der Market Street raus«, sagte der Lieferwagenmann, » von da aus ist es nur noch ein Sprung.«
    Sie gab ihnen den Fünfer, und der Lieferwagen bog in eine breite Straße ein, deren unteres Ende von dem hohen, braunen Turm einer Kathedrale beherrscht wurde.
    » Gehen Sie einfach nur auf die Kirche zu«, sagte der Lieferwagenmann, den René anscheinend nicht genug leiden konnte, um ihn mit Namen anzusprechen.
    » Sind wahrscheinlich froh, ein bisschen rauszukommen. Neue Gesichter zu sehen.«
    » Ja.«
    Rachaela stieg aus, ihre schwere Tasche trug sie über der Schulter. Sie blieb verwirrt stehen, als der blaue Lieferwagen sich wie eine Muschel schloss und davonfuhr.
    » Na, die war vielleicht komisch.«
    » Hatte anscheinend nicht viel zu sagen.«
    » Stockfisch.«
    » Ich hätte große Lust auf ein bisschen Rinderbraten.« » Fischstäbchen.«
    Sie würde einfach geradeaus gehen. In die Stadt und von dort nach London zurückkehren. Es gab nichts, für das es sich zu bleiben lohnte – im Gegenteil. Sicher brachte London Probleme mit sich, nichts war dort sicher, keine Wohnung, keine Arbeit, Geldmangel. Doch

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