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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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den Bahnhof ausfindig zu machen. Hinter der Kirche, über den Fluss, Wagon Street. Sie hatte die Adresse des Hotels im Kopf gespeichert und konnte den Weg zurück finden.
    In der Stadt gab es römische Überreste. Sie hatte oberflächlich danach gesucht, sie jedoch nicht entdeckt.
    Der Bahnhof war wichtiger.
    Sie kam an den Fluss, er war wie der Himmel, weit und gelbgrau, Schiffe fuhren darauf, glatt und aufgetakelt oder verrostet und dem Tode geweiht. Eine Brücke schwang sich über den Fluss, und darunter spreizten sich die Straßen auseinander, nur um sich gleich wieder zu treffen. Sie fragte zwanzigmal nach dem Weg. Offensichtlich gab es in dieser Stadt Leute, die sie in die Irre führen wollten. Eine Fremde veralbern.
    Schließlich, um Viertel vor vier, erreichte sie die Wagon Street und sah die Backstein- und Eisenfassade des Bahnhofs wie ihr El Dorado vor sich. Sie eilte darauf zu und trat ein. Der Bahnhof war sehr sauber und voller Plastik, mit Abfallkörben, und Toiletten auf Londoner Art gekennzeichnet – die Frau mit nur einem Bein.
    Niemand am Fahrkartenschalter. Niemand auf dem breiten, windigen Bahnsteig, über dem die Dunkelheit allmählich ihre Schwingen ausbreitete.
    Schließlich klopfte sie an die Tür mit dem Schild » Nur für Personal « . Doch niemand öffnete.
    Es schien, als wäre der Bahnhof nur eine Attrappe. Ein Komplott, um zu beweisen, dass es theoretisch möglich war, wegzukommen, doch nicht praktisch.
    Wer wollte von hier weg?
    Keine Züge, die über die glänzenden Schienen rollten. Keine Signallichter, die wechselten. In den Toiletten kein Rauschen einer Spülung, in den Abfallbehältern kein Müll. Egal. Der Bahnhof existierte. Er war da und konnte benutzt werden. Am Freitag würde sie sehr früh hierherkommen, vor acht, und wenn es sein müsste auf ihr lauwarmes Frühstück verzichten. Sie würde warten, und wenn nötig, würde sie den Zugschaffner eines jeden Zuges, der anhielt, ansprechen. Fleasham, Purrli. Die große, blinde, sorglose Stadt, die einen aufsaugte und begrub. Begraben werden. Das war es.
    Rachaela entfernte sich wieder von dem Phantombahnhof, aufmerksam auf ihren Weg achtend. Die Sonne versank hinter einer brodelnden Wolke.
    Auf der Straße glitten immer noch die Regenschirme hin und her. Sie verirrte sich dreimal, bevor sie die Straße mit dem Hotel erreichte. Doch sie kam dort an.
    Ihre Sachen lagen an ihrem Platz, ihr Bett war in gedankenloser, gestärkter Präzision gemacht worden, und das Laken war straff wie eine Zwangsjacke darüber gespannt. Sie hatte den Mittwoch geschafft. Jetzt gab es nur noch den Abend, die Nacht, Donnerstag.
    Damit würde sie auch noch fertigwerden.
    Im Haus würden sie jetzt die Lampen anzünden.
    Sie trugen ihn zum Strand hinab. Es gab keine Stufen, nur einen langen Abhang. Carlo und Michael hielten ihn zwischen sich. Camillo lief hinter ihnen her, sein langes, weißes Haar tanzte auf seinen Schultern. Alices Hut schmückte eine Maus.
    » Du musst nicht weinen«, sagte Anna zu ihr.
    Sie weinte aber nicht, vergoss keine einzige Träne, hatte alle Trauer abgestreift.
    Sie würden ihn verbrennen. Seinen schlanken Männerkörper, die flinken Finger, das knochige Gesicht, den Schleier aus schwarzem Haar. Ein loderndes Feuer würde bestimmt in seinen Augen brennen.
    Sie waren am Strand. Adamus lag zwischen dem Treibholz und den Scheiten. Michael und Carlo hievten das Klavier über den Felsen auf seinen Körper hinunter.
    Rachaela erwachte.
    Es war mitten in der Nacht. Die Autos waren verstummt. Sie konnte fast den Mechanismus der Turmuhr hören, deren Zeiger leise dem Morgen entgegenrückten. Sie läutete nur zur Mittags- und Mitternachtsstunde.
    Sie tastete nach ihrer Armbanduhr und las im dämmrigen Niemandslicht des Fensters die Zeit von dem Zifferblatt ab, vier Uhr. Warum hatte sie geträumt, dass Adamus tot wäre?
    Weil sie ihn fürchtete. Sein Tod wäre eine allzu genehme Lösung.
    In dem Traum hatte sie etwas Schreckliches empfunden, nicht Trauer oder Verlust. Etwas viel Schlimmeres.
    Sie riss sich zusammen, um noch etwas schlafen zu können, und lag bis halb acht, als das Morgenlicht langsam durch das Fenster gefiltert wurde.
    Rachaela erledigte ihre Einkäufe regelrecht pedantisch. Sie kaufte einen beigefarbenen Pullover, eine Packung neuer Baumwollhöschen, Strumpfhosen, ein Taschenbuch, und eine große, schwarze Tasche, in der sie alles verstauen konnte. In London würde sie Kleidung, Bücher und ein Radio erwerben müssen. Wenn

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