Schwarzer Tanz
wurden und verblassten. Das ist also mein Leben. Es amüsierte sie. Sie gestattete sich keinen Gedanken an die Scarabae. Sie war ziemlich geschickt darin geworden, ihnen auszuweichen. Ihm auszuweichen. Sie nahm den Gedanken auf und vertrieb ihn aus ihrem Kopf. Wenn er zurückkehrte, entfernte sie ihn erneut. Sie stellte das Radio an und lauschte einem griechischen Hörspiel, das sie nicht verstand, aber mochte. Als sie sich gegen halb elf auf ein langes Bad eingestellt hatte, klopfte Emma an die Tür.
» Bitte, reg dich nicht auf«, sagte sie sofort, » aber ich glaube, ich sollte besser einen Arzt rufen. Er wird natürlich nicht da sein, aber sie werden jemanden schicken. Sie ist schrecklich heiß und hört nicht auf zu weinen. Du weißt, sie weint sonst nie. Bestimmt ist es nichts Ernstes, aber ich möchte trotzdem sichergehen.«
» Gut«, sagte Rachaela. » Willst du sie hochbringen?«
» Nein, nein. Und ich kann von unten aus anrufen. Ich komme dann nochmal und erzähle dir, was sie gesagt haben.«
» Ja.«
Als Emma verschwunden war, legte sich Rachaela in die Badewanne. Emma klopfte erneut. Rachaela ging im Handtuch zur Tür, ein zweites Handtuch hatte sie sich um den Kopf gewickelt.
» Es kommt jemand. Sie sagen, in ungefähr einer Stunde.«
» Aha.«
» Du kommst doch nach unten, nicht wahr?«, fragte Emma.
» Wenn du denkst, dass es nötig ist.«
» Ja, du musst, Rachaela. Sie ist dein Kind.« Emma sah blass und unglücklich aus.
Rachaela antwortete nicht, und Emma verschwand.
Rachaela wusch ihr Haar aus und wickelte es in ein anderes Handtuch. Sie kleidete sich an, zog ihre Schuhe an und ging hinunter in Emmas Wohnung.
Emma hielt Ruth in den Armen. Sie setzte sich und fächelte dem Baby mit einem japanischen Fächer Luft zu. Ruth sah aus wie ein Radieschen, als hätte ihr Blut angefangen zu kochen. Sie schniefte schwach, wieder und wieder.
Sie sprachen nicht, saßen sich nur schweigend gegenüber.
Der Rest der Stunde tickte gemächlich vorüber.
» Es ist Doktor Chatterjee«, sagte Emma schließlich. » Bisher musste ich ihn nie anrufen, ich weiß nicht, wie er ist. Armer Mann, er muss diese späten Anrufe hassen. Ärzte haben es wirklich nicht leicht.« Sie fächelte Ruth zu. » Du hättest sie in die Klinik bringen sollen, Rachaela«, sagte sie, ohne Vorwurf. » Du bist nie hingegangen.«
» Nein.«
» Sie wäre regelmäßig untersucht worden und hätte ihre Impfungen erhalten. Sie sind heutzutage schon so weit mit ihren Schutzimpfungen. Und Ruth hat noch gar keine bekommen.«
» Sie ist stark«, sagte Rachaela. Es war reiner Instinkt, der sie zu dieser Äußerung getrieben hatte.
» Natürlich ist sie das. Die dumme, alte Emma, regt sich auf über gar nichts. Armes Würstchen, armes Kleines.«
Das Baby erbrach sich geschwächt auf sein Kleidchen und Emmas Strickjacke. Emma erhob sich ohne Eile oder Ekel, um es zu säubern. Sie sprach mit Ruth, erklärte ihr, was sie tat.
Rachaela saß auf dem Chintzsessel und fragte sich, ob sie irgendetwas empfand, irgendeinen Stich. Aber sie fühlte nichts. Es war, als wäre Ruth in Wirklichkeit Emmas Tochter, und als hätte Rachaela aus irgendeinem Grund herunterkommen müssen, um dieser Szene beizuwohnen. Das Erbrochene des Babys drehte ihr den Magen um und beleidigte ihre Sinne. Ruth hatte ihre Flaschenmilch häufig erbrochen, als täte sie das absichtlich, genauso wie sie die endlosen, stinkenden Massen nasser Windeln hervorbrachte.
Während Emma und Ruth noch im Bad beschäftigt waren, ertönte die Türglocke.
Rachaela stand auf, antwortete über die Sprechanlage, drückte den Knopf und ließ Doktor Chatterjee ein, der gerade angekommen war.
Er war ein kleiner, fetter Inder mit einem geschäftigen Wesen und klugen Augen.
Emma brachte Ruth, und er untersuchte das Baby sorgfältig.
» Ja, Sie haben recht getan, mich anzurufen«, sagte er zu Rachaela. » Das Kind ist sehr krank. Ich schlage vor, dass wir sie sofort ins Krankenhaus bringen.«
Emma stöhnte vor Entsetzen.
Doktor Chatterjee blickte von einer Frau zur anderen.
» Sie sind die Mutter, ja?«, fragte er Rachaela.
» Ja.«
» Um Zeit zu sparen, werden wir mein Auto nehmen.«
» Vielen Dank«, flüsterte Emma demütig.
Vor lauter Angst wickelte sie Ruth viel zu fest ein, und der Arzt lockerte die Decke wieder ein wenig. Rachaela nahm das Handtuch von ihren feuchten Haaren.
Emma brachte zwei von Ruths flauschigen Lieblingsspielsachen.
Die Nacht draußen war heiß und
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