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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sich in ihrer Küche um, als wäre ihr plötzlich alles fremd. »Sie hätten es mir sagen sollen«, meinte sie. In ihrer leisen Stimme schwang unüberhörbar Wut mit. »Das ist einfach zuviel verlangt.« Sie drehte sich zu McConnell um. »Würde er es wirklich tun?« fragte sie. »Würde er wirklich all diese Gefangenen töten? All die Kinder?«
    McConnell begriff, daß Sterns Enthüllung die Krankenschwester genauso tief getroffen hatte wie ihn selbst. Er hätte sie gerne berührt, versucht, sie zu trösten, aber er wollte nicht, daß sie ihn mißverstand. »Ich fürchte, daß er dazu absolut fähig ist«, antwortete er. »Wenn er es wirklich will, könnten Sie ihn nur davon abhalten, indem Sie ihn töten. Sind Sie jedoch nicht dazu bereit, sollten Sie heute wohl besser nicht zur Arbeit gehen.«
    »Aber ich muß gehen!« Anna sah ihn ängstlich an. »Wenn ich nicht auftauche, wird Sturmbannführer Schörner eine Patrouille hierherschicken.«
    »Können Sie sich nicht krank melden?«
    »Ich habe kein Telefon.«
    »Wie kommen Sie zur Arbeit?«
    »Mit dem Fahrrad.«
    »Nun ... Dann sollten Sie heute wohl außerordentlich langsam fahren.«

29

    Nur 24 Stunden waren vergangen, seit Sturmbannführer Schörner Hauptscharführer Sturm in der Gasse gedemütigt hatte, aber in dieser Zeit hatte Günther Sturm vor Wut gekocht wie noch nie. Die Wut fraß ihn förmlich auf. Letzten Endes würde er Schörner töten; aber die Entdeckung der britischen Fallschirme hatte genug Staub aufgewirbelt, um die Aufmerksamkeit von Beck in Peenemünde zu erregen. Sturm wußte, daß es Wahnsinn wäre, Schörner unter den Augen dieses Teufels aus dem Weg zu räumen.
    Er hatte schon mit der Idee gespielt, Schörner zu einem Duell zu fordern. Der Ehrenkodex der SS berechtigte einen Mann, in einem Duell Genugtuung zu verlangen, wenn es um eine Frage der Ehre ging; aber in der Praxis wurden solche Duelle nicht gern gesehen. Außerdem war Schörner selbst mit einem fehlenden Auge noch ein hervorragender Fechter und ein erstklassiger Schütze. Nein, die einzige Revanche, die Sturm sofort haben konnte, mußte über Schörners jüdische Hure erfolgen.
    Der Mann, den er sich als Helfer für seine Vendetta ausgesucht hatte, war Rottenführer Ludwig Grot. Grot war nicht nur der gewalttätigste Mann seiner Einheit, sondern er hatte beim Hauptscharführer auch fast 400 Mark Spielschulden. Sturm hatte ihm die Angelegenheit bei einer Flasche hervorragenden Schnaps nahegebracht, den er sich für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt hatte. Grot hatte mehr als erfreut die Möglichkeit ergriffen, seine Schulden mit einem einzigen Gefallen zu tilgen. Und dann auch noch mit einem so einfachen! Ein paar wohlplazierte Schläge. Wo lag da das Problem? Wenn eine Jüdin die Ehre des Reichs beleidigte, wie Sturm angedeutet hatte, dann war es ohnehin Grots Pflicht, ihr eine Lektion zu erteilen. Und sollte sie sterben, na und? Eine Jüdin weniger, die die gute deutsche Luft verpestete.
    Sturm hatte dafür gesorgt, daß Grot für seinen Angriff freie Bahn hatte. Schörner war bei Beck in Peenemünde, wegen der Fallschirme, und Brandt war wieder nach Berlin gefahren, um sich dort mit Reichsführer Himmler zu treffen. Als Sturm seinen Lieblingsschäferhund, einen gewaltigen Rüden namens Rudi, zu seinem Beobachtungspunkt führte, von dem aus er den Überfall beobachten wollte, sah er Grot vor den SS-Baracken lauern. Er grinste den Rottenführer selbstgefällig an und beglückwünschte sich zu der guten Wahl, die er getroffen hatte.
    Während ihrer gemeinsamen Zeit im Einsatzkommando Acht, in der sie Juden aus Lettland deportiert hatten, hatte sich Ludwig Grot häufig über Langeweile beschwert. Außerdem hatte er die ungeheure Munitionsverschwendung bei der Auslöschung der Juden beklagt. Eines Tages hatte er eine Möglichkeit herausgefunden, seine beiden Hauptärgernisse gleichzeitig zu beheben: Er befahl einigen jüdischen Gefangenen, sich in einer Reihe aufzustellen, wobei jeder Mann seine Brust an den Rücken des vorigen pressen mußte. Dann nahm er Wetten an, wie viele Juden er mit einer einzigen Kugel töten könnte. In Ostpolen hatte er 30 Mark gewonnen, als er drei voll ausgewachsene Männer mit einer einzigen Kugel aus seiner Luger hatte erschießen können. Und in der Nähe von Poznan hatte er fünf Frauen auf diese Weise umgebracht. Allerdings hatte die letzte in der Reihe noch einige Stunden gelebt; also zählte sie nicht wirklich.
    Liebevoll kraulte Sturm Rudi

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