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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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etwas auf polnisch und hielt den linken Arm hoch. Rudis Kiefer schlugen in ungeschütztes Fleisch. Er stieß den Kopf hin und her und versuchte, die Frau zu Boden zu werfen.
    Mit aller Kraft, die sie in ihrem massigen Körper besaß, rammte Frau Hagan dem Vieh den Spaten in die Kehle. Ein Jaulen gellte über den Platz. Der Hund schlug noch immer den Kopf hin und her, und seine Zähne zerfetzten Frau Hagans Haut, doch seine Bewegungen wirkten mechanisch und verwirrt. Frau Hagan riß den Spaten wieder heraus und schlug noch einmal zu und schlitzte den Bauch des Hundes von oben bis unten auf.
    Rudi ließ los. Frau Hagan warf sich auf das Biest wie eine Verrückte und zerstückelte ihn mit den Kräften einer Wahnsinnigen. Aus dem offenen Bauch des Hundes stieg Dampf auf.
    Rachel zuckte unwillkürlich zusammen, als der erste Schuß ertönte, aber sie sah keine direkte Wirkung. Die zweite Kugel traf etwas, doch Frau Hagan hieb weiter auf den Hund ein. Dann erkannte Rachel, daß ein aufgeregter Wächter den Hund erschossen hatte, entweder aus Versehen, oder um ihn von seinem Elend zu befreien.
    Frau Hagan warf Rachel einen raschen Blick über die Schulter zu. »Steh auf!« schrie sie. »Lauf! Sonst wirst du erschossen!«
    Rachel versuchte es, doch ihre Glieder wollten nicht gehorchen. »Nein!« erwiderte sie, »Komm mit mir!«
    Eine weitere Gewehrkugel traf den Hund. Einer der Turmschützen gab einen kurzen Feuerstoß aus seinem MG ab, um es besser ausrichten zu können. Frau Hagan sah Rachel ein letztes Mal an, und ihre Augen glänzten mit einer merkwürdigen Begeisterung. Dann raffte sie ihren Kittel zusammen und rannte zum Fuß des MG-Turms, wo Sturm dem Spektakel ungläubig zusah.
    Die aufgebrachte Polin rannte aus Leibeskräften und hielt den Spaten hoch in die Luft, als die Garbe des Turmschützen sie erwischte. Die Einschläge der Geschosse warfen sie rücklings zu Boden, wo sie regungslos liegenblieb.
    Im Lager Totenhausen herrschte Stille. Von ihrer Position am Boden aus betrachtete Rachel die Gesichter der weiblichen Gefangenen, die einen lockeren Kreis um sie bildeten. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft spürte sie eine wirkliche Bereitschaft zur Gewalt unter ihnen. Frau Hagan kannten alle. Dutzende der Frauen schuldeten ihr einen Gefallen, und einige verdankten ihr sogar das Leben. Frau Hagan war ein Symbol des Überlebens angesichts des Schlimmsten, was die Nazis einem antun konnten. Einige Sekunden glaubte Rachel sogar, daß die Frauen Frau Hagans Beispiel folgen und die Wachen angreifen würden.
    Sie hörte, wie ein SS-Mann schrie, sie sollten in ihre Baracken zurückkehren. Niemand bewegte sich. Auf der anderen Seite des Platzes sah Rachel Anna Kaas. Die blonde Krankenschwester stand im Schatten des Krankenhauses neben der Zementtreppe und sah Rachel direkt an. In ihrer weißen Uniform erinnerte sie an einen Engel. Als sie sich Rachels Aufmerksamkeit sicher war, hob Anna ruckartig die Hände zum Himmel. Rachel starrte sie verwirrt an. Die Schwester gab das Zeichen noch einmal, diesmal heftiger.
    Aufstehen? dachte Rachel. Willst du mir das sagen? Ja. Steh auf und geh, oder du stirbst da, wo du liegst.
    Mühsam richtete sich Rachel auf alle viere auf. Frau Hagan lag regungslos 20 Meter von ihr entfernt. Hauptscharführer Sturm bellte einen Befehl nach dem anderen. Einige der weiblichen Gefangenen bewegten sich zusammen auf das Haupttor zu, wo eine kleine Gruppe SS-Wachen stand. Sie hatten die Waffen schußbereit gesenkt. Rachel stand schwankend auf.
    Jemand feuerte einen Schuß in die Luft.
    Die Menge drängte weiter zum Tor. In jedem anderen Lager wären sie ohne jedes weitere Zögern erschossen worden, aber diese Gefangenen hier waren Brandts Versuchskaninchen. Die Wachen wußten nicht, was sie tun sollten. Rachel trat über den verstümmelten Hund und ging zu ihrer Freundin. Sie konnte nicht anders. Gleichzeitig erfüllte sie eine seltsame Ruhe. Zum ersten Mal waren ihre Kinder nicht das Wichtigste in ihren Gedanken. Der Tod winkte ihr zu, und sie verspürte keinerlei Angst.
    Sie hatte Frau Hagan beinahe erreicht, als jemand ihren Arm packte. Sie blickte in das Gesicht von Anna Kaas. Die Krankenschwester zog sie von Frau Hagan weg zum Krankenhaus.
    Rachel warf einen letzten Blick auf die tote Polin. »Wohin bringen Sie mich?«
    »Halten Sie den Mund, und folgen Sie mir!«
    Plötzlich ertönte Gewehrfeuer. Rachel drehte sich um. Die SS-Männer am Haupttor schössen in den Boden vor die Füße der Frauen. Die

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