Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
haben.«
    »Vielleicht. Aber ich würde das einer Kapitulation jederzeit vorziehen.«
    »Was ist mit Ihnen, Doktor? Ich habe Ihnen gebeichtet. Beichten Sie jetzt mir. Was hält Sie davon ab, den Hügel hochzugehen und Stern zu helfen?«
    McConnell rutschte vom Sofa und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Fußstütze. »Es ist eigentlich ganz einfach. Es war mein Vater. Er war auch Arzt. Jetzt ist er tot. Er kämpfte im Großen Krieg. Natürlich gegen die Deutschen.«
    »Mein Onkel auch. Er ist an der Marne gefallen.«
    »Mein Vater wurde in St. Mihiel vergast. Er hat schwere Senfgasverbrennungen davongetragen, von denen er sich nie wirklich erholt hat.«
    Anna legte ihm die Hand auf die Schulter. »Das tut mir leid.«
    »Ich bin sicher, daß Freud eine Menge über meine Berufswahl zu sagen hätte«, fuhr McConnell fort. »Aber das ist mir ehrlich gesagt egal. Ich habe schon in sehr jungen Jahren gesehen, was der Krieg mit Menschen macht, und es hat mir nicht gefallen. Es gefällt mir immer noch nicht. Als das hier angefangen hat, habe ich versucht, meine Talente dafür einzusetzen, Leiden zu verhindern, nicht es hervorzurufen. Wie Sie sehen, waren die Briten nicht damit zufrieden.«
    Anna beugte sich vor und sah ihm in die Augen. »Sie erinnern mich sehr an Franz, Doktor. Ich glaube, Sie sind ein guter Mensch. Aber ich glaube nicht, daß Sie wirklich verstehen, was in Deutschland vor sich geht.«
    Anna stand auf und ging zu einem Regal, in dem anscheinend alte Kontobücher standen. »Ich möchte, daß Sie sich etwas ansehen.«
    Sie nahm mehrere Bücher heraus, griff in den Raum dahinter und holte ein kleines, ledergebundenes Exemplar hervor, dessen Einband vom häufigen Gebrauch matt glänzte. »Das ist mein Tagebuch«, sagte sie. »Ich habe es an dem Tag begonnen, an dem Franz gestorben ist. In gewisser Weise war es mein einziger Freund. Der erste Teil enthält nichts Wesentliches, nur persönliche Dinge, aber irgendwann ab Seite 30 habe ich angefangen, meine Erfahrungen in Totenhausen aufzuschreiben. Ich habe jedes Experiment aufgeschrieben, dem ich selbst beigewohnt habe, und auch die Dinge, die Doktor Brandt anderen Ärzten verraten hat, entweder persönlich oder am Telefon. Einige Passagen bestehen aus Dingen, die er mir direkt nach seinen Besuchen in anderen medizinischen Institutionen des Reiches anvertraut hat: Konzentrationslagern, Euthanasiezentren, verschiedenen Kliniken.« Sie nahm das Buch mit zur Treppe, drehte sich dann um und warf es McConnell zu.
    »Sie sind Arzt«, sagte sie. »Lesen Sie das Curriculum Vitae eines Ihrer Berufskollegen.«
    Nachdem sie gegangen war, öffnete McConnell das Tagebuch und begann zu lesen.
    Rachel Jansen saß bewegungslos auf dem Lehnstuhl im Vorzimmer von Sturmbannführer Schörners Unterkunft. Schörner saß auf dem Sofa ihr gegenüber und nippte an einem Brandy.
    »Warum hat er mich bei den Vergeltungsmaßnahmen nicht ermordet?« fragte Rachel in monotonem Tonfall.
    Schörner hielt das Glas ins Licht einer Lampe und betrachtete die Lichtbrechungen in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. »Sturm hat ein kleines bißchen Angst vor mir«, antwortete er. »Und da tut er auch gut dran. Ich würde ihm am liebsten den Hals mit seinem eigenen Dolch durchschneiden. Wenn ich die Verletzungen auf deinem wunderschönen Gesicht sehe ... Das bringt das Blut in mir zum Kochen. Und ich sehe an der Art, wie du sitzt und atmest, daß dir die Seite weh tut. Hat dieser Bastard Grot dich getreten?«
    »Das ist verrückt«, sagte Rachel leise. Allein das Sprechen löste einen stechenden Schmerz in ihren Rippen aus. »Was ist, wenn ich hier entdeckt werde? Jetzt? Heute abend?«
    Ein überhebliches Lächeln spielte um Schörners attraktiven Mund. »Das ist das letzte, was heute nacht passieren wird, Liebling. Brandt will keine Konflikte, nichts, was seine Vereinbarungen mit Reichsführer Himmler stören könnte. Für Brandt sind Sturm und ich nur Nebensache. Außerdem ...« Er senkte die Stimme. »Ich mußte dich einfach sehen. Ich mußte herausfinden, ob das Schwein dich schwer verletzt hat.«
    Schörner beugte sich auf dem Sofa vor. »Hat er? Wenn du heute nacht nicht kannst ... Das verstehe ich.«
    Rachel schüttelte sich auf ihrem Stuhl.
    »Ist dir kalt?« fragte Schörner. Seine Stimme klang besorgt. »Hier, Liebling. Komm her, und setz dich neben mich.«
    Rachel zögerte, stand dann auf und ging zur Couch wie eine Frau, auf die die Guillotine wartet.

32

    Jonas Stern stand im Schatten

Weitere Kostenlose Bücher