Schwarzer Tod
verstehe.« Brandt war entsetzt. »Und meine Testsubjekte?«
»Sie meinen Ihre Gefangenen? Wenn Ihre Arbeit getan ist, müssen Sie sie liquidieren. Wir brauchen absolute Geheimhaltung.«
Brandt nahm einen Stift und kritzelte etwas auf einen Notizblock auf seinem Schreibtisch. »Vielleicht sollte ich warten, bis die Raubhammer-Vorführung abgeschlossen ist, um absolut sicherzugehen.«
Auf der Berliner Seite herrschte eisiges Schweigen. »Haben Sie Zweifel, was die Vorführung angeht, Herr Doktor?«
Brandt räusperte sich und verwünschte sich selbst für seine übertriebene Vorsicht. »Nicht die geringsten, Reichsführer. Ich werde gleich morgen damit beginnen, das Labor abzubauen.«
»Und Ihre Gefangenen?«
»Nichts wird zurückbleiben.«
Einige Meter von Klaus Brandt entfernt schenkte sich Sturmbannführer Wolfgang Schörner ein Glas Weinbrand ein und setzte sich aufs Sofa. Ariel Weitz hatte Rachel gerade erst zu ihm gebracht, weil die Arbeit Schörner heute viel länger auf. gehalten hatte als gewöhnlich. Es war eine ziemlich schmutzige Angelegenheit gewesen, aber jetzt konnte er sich entspannen. Rachel nickte ihm einmal kurz zu und ging zum Sofa. Dabei zog sie sich mechanisch den Kittel über den Kopf.
Schörner stand rasch auf und zog das Kleidungsstück wieder zurück. »Warte einen Moment«, sagte er. »Ich muß dir etwas sagen. Etwas, das du sicher gerne hörst.« Er führte sie zuvorkommend zu dem Lehnstuhl.
Rachel setzte sich, faltete die Hände im Schoß und wartete.
»Hast du jemals von Eindeutschung gehört?« fragte Schörner.
Rachel schüttelte den Kopf.
»Eindeutschung ist ein Programm für die Rückgewinnung von nordischdeutschen Rasseelementen aus den besetzten östlichen Gebieten. In diesem Programm werden Kinder zwischen zwei und sechs Jahren, die nordische Charakterzüge aufweisen, so wie deine, vor allem der Junge, in eines der Lebensbornheime gebracht. Und ich bin sehr glücklich, dir mitteilen zu können, daß es mir gelungen ist, das Versprechen zu bekommen, daß man für deine Kinder einen Platz in Steinhöring freimachen wird.«
Rachels Pulsschlag erhöhte sich. »Was ist ein Lebensbornheim, Sturmbannführer?«
»Ah, das habe ich vergessen. Du warst ja von allem abgeschnitten. Lebensbornheime wurden von Reichsführer Himmler eingerichtet, um ledigen Müttern reinrassiger Herkunft bei der Geburt und Erziehung ihrer Kinder zu helfen. Die Einrichtungen sind vorbildlich.«
»Und diese Heime ... akzeptieren sie auch Kinder von Eltern, die nicht >reinrassiger< Herkunft sind?«
»Das tun sie, ja. Es ist eine Frage der biologischen Auslese. Ich habe bereits für deine Kinder gebürgt. Der Leiter von Steinhöring ist ein Freund meines Vaters.«
»Verstehe.« Rachel dachte einen Augenblick nach. »Was passiert mit den Kindern, wenn sie sechs Jahre alt sind?«
»Oh, sie werden schon lange vorher adoptiert worden sein. Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot.«
»Die Nachfrage? Wer will denn diese Kinder?«
»Nun, gute deutsche Familien natürlich. Häufig Familien von kinderlosen SS-Offizieren.«
Rachel schloß die Augen.
Schörner konnte seine Aufregung nicht verbergen. »Ich weiß nicht, warum ich nicht schon früher daran gedacht habe. Es ist die perfekte Lösung!«
»Sie würden zu Nazis erzogen werden?«
Schörner wirkte etwas beleidigt. »Zu Deutschen, Rachel. Ist das so schrecklich?«
»Ich würde sie nie wiedersehen.«
Schörner lächelte merkwürdig. »Es werden nicht nur Kinder zum Eindeutschungsprogramm zugelassen, Liebling.«
Rachel zuckte unwillkürlich zusammen, als sie dieses intime Wort hörte. Ihre Beziehung zu Schörner hatte sich vollkommen anders entwickelt, als sie erwartet hatte. Statt sie einfach nur für seine sexuelle Erleichterung zu benutzen, schien er darauf bedacht zu sein, eine groteske Parodie von Häuslichkeit herzustellen.
»Was sagen Sie da?« fragte sie und versuchte, der Aufregung nicht zu vertrauen, die sie empfand. »Ich könnte mit meinen Kindern gehen?«
Schörners Lächeln verschwand. »Das ist leider nicht möglich; aber es ist trotzdem nicht alles verloren. Ich werde sehr bald wieder zurückversetzt. Meine Eltern leben noch in Köln. Ich glaube, daß es mir möglich wäre, dich dorthin zu bringen und dich bei ihnen als Dienerin unterzubringen, als Teil des Eindeutschungsprozesses.«
»Aber ich bin Jüdin, Sturmbannführer.«
»Sag das nicht immer wieder! Papiere sind leicht zu bekommen, vor allem in der augenblicklichen
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