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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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dem Holz brach, und er rutschte einen Meter den vereisten Mast herunter, bevor er wieder Halt fand. Der Sicherheitsgurt hatte seinen Fall so gut wie gar nicht aufgehalten. Er konnte nur hoffen, daß sein Antigasanzug nicht von Splittern aufgerissen worden war.
    Nachdem er dreiviertel des Weges hinter sich gebracht hatte, sah er die Autoscheinwerfer der Verfolger die gewundene Hügelstraße heraufkommen. McConnell grub die Dorne ins Holz und zwang sich, immer höher zu klettern, und dabei dachte er an Anna, die zwischen den Bäumen unten wartete. Er hatte fast den Querbalken erreicht, als unter ihm ein Motor angelassen wurde.
    Erst dachte er, daß der Wachtposten der Transformatorstation eine Maschine angeworfen hatte; doch das Geräusch kam direkt vom Fuß des Mastes. Als ihm klarwurde, was da tatsächlich vorging, wäre er fast den Mast wieder heruntergeklettert.
    Aber natürlich würde er viel zu spät kommen. Anna hatte es so geplant. Er konnte nichts mehr dagegen tun.
    Sie wollte sich offenbar für den Erfolg der Mission opfern.

45

    Ariel Weitz verließ das Krankenhaus durch die Vordertür. Er trug Doktor Brandts SS-Wintermantel, den er aus einem Schrank gestohlen hatte. Brandts dicker Mantel war das einzige Kleidungsstück, das den merkwürdigen Buckel auf seinem Rücken notdürftig verbarg. Darunter trug er den RaubhammerTestanzug. In der linken Hand hielt er die dazugehörige Gasmaske und in der rechten eine Maschinenpistole.
    Rasch überquerte er den Appellplatz und ließ die Kommandantur nicht aus den Augen. Ihm persönlich war es egal, was mit dem Sohn des Schuhmachers passierte; aber der Schuhmacher hatte gesagt, daß ohne ihn der Gasangriff nicht stattfinden würde, und nachdem Weitz den jungen Mann kennengelernt hatte, hielt er das auch durchaus für möglich. Er hatte einen Schlüssel für die Hintertür der Kommandantur dabei, schloß sie auf und betrat das Gebäude.
    Aus dem vorderen Teil des Hauses hörte er erstickte Schreie. Rasch überschlug er die denkbaren Möglichkeiten. Das Büro des Quartiermeisters. Der Funkraum. Brandts Verwaltungsbüro. Schörners Büro. Und von dem Korridor rechts von ihm, aus Richtung des Kinos, hörte er Stimmengemurmel. Die Fabriktechniker und ihre Wachen. Er zog den Mantel enger um die Schultern und ging schnell den Flur entlang.
    Weitz sah den grauen Uniformrücken des Funkers an seinem Gerät. Das Büro des Quartiermeisters war leer. Er ging weiter zu Brandts Büro. Ebenfalls leer. Die Schreie wurden jetzt lauter. Er hörte das Geräusch eines Schlages. Männer lachten. Er hörte Günther Sturms Stimme, die damit prahlte, daß jemand eine Wette verlieren würde.
    Weitz legte die Raubhammer-Maske auf den Boden und packte die Maschinenpistole mit beiden Händen.
    Jonas Stern versuchte, die Fesseln zu sprengen, die ihn an den Stuhl banden, und seine Augen sprangen ihm vor Schmerz fast aus den Höhlen. Sein Gesicht und sein Körper waren mit Blut bedeckt. Hauptscharführer Sturm hatte einige lange, flache Schnitte in seine Brust gemacht. Einer von Sturms Helfern hatte daraufhin Salz aus der Messe geholt, und der Hauptscharführer hatte es in die Wunden gerieben. Er hatte auch einen Finger an Sterns linker Hand gebrochen, und zwar nicht, indem er ihn nach hinten bog, sondern indem er ihn im rechten Winkel zur Seite schlug. Für einen Mann von Sturms Körperkraft war das keine Anstrengung, besonders nicht angesichts der zu erwartenden Belohnung.
    Aber er wurde nicht belohnt. Der als SD-Offizier verkleidete Jude hatte nur geschrien, und selbst das nur vergleichsweise leise. Sturm machte sich allmählich Sorgen, daß er seine 20 Mark verlieren könnte.
    Stern dagegen war von dem stechenden Schmerz des Dolchs und dem entsetzlichen Brennen des Salzes in Agonie gefallen. Sein Kopf und sein Hals pochten heftig von den Schlägen, und sein linkes Auge war fast vollkommen zugeschwollen.
    Aber er war noch bei Bewußtsein.
    Bald würde alles vorbei sein. Sie hatten ihm zwar die Uhr weggenommen, aber es war ihm gelungen, eben noch kurz einen Blick auf die des Hauptscharführers zu werfen. Darauf war es 19:59 Uhr gewesen. Er konnte nur hoffen, daß er das Gas lange genug überleben würde, um mitansehen zu können, wie sich Sturm in die Hose machte, während er in einem Veitstanz über den Boden zuckte und sein eigenes Erbrochenes schluckte. Stern glaubte, lange genug den Atem anhalten zu können, um es zu genießen.
    »Was denkst du, du selbstgefälliger Mistkerl?« bellte Sturm.

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