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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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konnte.« Sumner nahm das Mikrofon vom Haken. »Hier ist General Sherman«, sagte er gespannt. »Wann wurde die Schlacht von Harlaw ausgetragen?«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann knisterte das Funkgerät wieder. »Vierzehnhundertelf. Gott segne dich, mein Junge, es war 1411.«
    Sumner schnappte sich das UKW-Mikro. »Hier spricht der Staffelführer. Bombenangriff abbrechen. Wiederhole, Bombenangriff abbrechen. Hier spricht der Staffelführer. Wir kehren zum Stützpunkt zurück. Abbrechen, abbrechen. Rückkehr zum Stützpunkt.«
    Navigator Jacobs sank auf seinen Sitz zurück und seufzte. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun, Harry.«
    »Ich auch«, sagte Sumner. »Das hoffe ich auch.«

48

    Nach dem Bombenangriff ging McConnell über den dunklen Appellplatz und begriff zum ersten Mal das ganze Ausmaß dessen, was er getan hatte. Er war von Kopf bis Fuß in einen luftdichten Anzug gehüllt und atmete die Luft, die in einem Labor in Oxford komprimiert worden war, während er sich zwischen Leichen hindurchschlängelte wie ein Geist auf einem Schlachtfeld.
    Überall lagen Tote. SS-Männer und Gefangene nebeneinander, Männer, Frauen und Kinder, Beine und Arme in den verrücktesten Winkeln vom Körper gestreckt, Münder und Augen weit geöffnet und in einen Himmel starrend, der von den Zielindikatoren der Bomber rot erleuchtet wurde. So schrecklich das auch war, McConnell wußte, daß dies nur ein Schatten der Verwüstung war, die ihnen bevorstand, sollte das 20. Jahrhundert weiter auf diesem Weg entlangschreiten. Er sah zu Stern hinüber. Die Gläser in der Maske des jungen Zionisten waren auf die Fabrik gerichtet, nicht auf den Boden; aber selbst Stern konnte das Offensichtliche nicht ignorieren. Sie hatten einige gerettet, aber viel mehr hatten sie getötet.
    Doch als sie sich dem Fabriktor näherten, ergriff ein anderer Gedanke von McConnell Besitz. Wenn eine schlichte britische Kopie von Sarin ein derartiges lautloses und blutiges Gemetzel verursachen konnte, dann besaßen die Deutschen mit Soman eine Waffe von wahrhaft apokalyptischer Macht. In Oxford hatte er das intellektuell durchaus begriffen. Aber die Wirkung eines Nervengases mitzuerleben, wenn es gegen Menschen eingesetzt wurde, machte ihm eindringlicher als alles andere klar, in was für einem Dilemma sich Männer wie Duff Smith und Churchill befanden.
    Ihr Bluff mußte einfach klappen. Die Alternative war Armageddon.
    Stern klebte ein Stück Plastiksprengstoff um das Schloß der Fabriktür. McConnell dachte an alles, was getan worden war, um ihn hierherzubringen, ihm für eine Viertelstunde Zutritt zu einer deutschen Giftgasfabrik zu verschaffen. Stern trat schnell von der Tür weg und zog McConnell mit sich. Einen Augenblick später sprengte die Ladung den Türgriff in verdrehte Stücke, und der Türrahmen fiel klaffend auseinander.
    Als McConnell die starke Taschenlampe anhob, die Stern im Funkraum gefunden hatte, und mit ihr das Innere der dunklen Fabrikhalle ableuchtete, wußte er, daß Duff Smith recht gehabt hatte, ihn hierherzuschicken. Er war der beste Mann für den Job. Die Produktionsstätte war kleiner, als er erwartet hatte, aber sie beherbergte eine Ausrüstung, die in der Welt ihresgleichen suchte. Die Ausstattung, die dem hier noch am nächsten kam, war ein streng geheimes Forschungs- und Entwicklungslabor bei DuPont, durch das ihn einer der Professoren geführt hatte. Der Produktionsraum war zwei Stockwerke hoch und mit kupfernen Rohrleitungen, Kompressoren und flachen, geschlossenen Bottichen vollgestopft. Alle paar Meter hingen Schilder mit einen Meter hohen Buchstaben an der Wand: RAUCHEN VERBOTEN! Der Boden war mit Holzkisten bedeckt, einige offen, andere versiegelt.
    McConnell fühlte sich wie ein Londoner Reiseführer, der Stern durch ein Gewirr von Apparaten führte, mit der Taschenlampe hierhin und dorthin zeigte, während Stern versuchte, Aufnahmen mit langer Belichtungszeit zu machen. Er fand die Anlage, um das Gas zu einem Aerosol zu machen, auf einer Palette mitten im Raum. Mit Werkzeugen von einer Werkbank fuhrwerkte er am Herz der Maschine herum, bis er auf ihr Geheimnis stieß: Filterscheiben. Er bewunderte die Abfolge von zehn superfeinen Tropfenfallen, die in einer immer feiner werdenden Reihenfolge installiert worden waren. Wenn das Gas von einem Ende bis zum anderen hindurchgegangen war, dann existierte es nur noch als geladene Ionen in der Luft, was es nicht nur unsichtbar machte, sondern auch für

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