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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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das für den Nachmittag angesetzt worden war.
    McConnell lehnte an einem Fenster und blickte auf den Hof drei Stockwerke zwischen den Sandsteingebäuden tiefer hinab. Rinnsale versickerten zwischen den Steinen und rannen durch Kanäle, die sich der Regen die letzten sechs Jahrhunderte gegraben hatte. Ob sein Bruder heute wohl flog? Oder nagelte dieses Wetter die B17 am Boden fest? Vielleicht navigierte David ja auch im sonnigen Äther über den Wolken und summte eine lustige Melodie, während er den Tod nach Deutschland trug, der unter ihm in den Schächten wartete?
    Seit ihrem letzten Treffen war kaum ein Tag vergangen, an dem Mark nicht über die Worte seines Bruders nachgedacht hatte. Seine Entscheidung, nicht an dem Rennen um ein Weltuntergangsgas teilzunehmen, war so unerschütterlich wie an jenem Abend, aber etwas in ihm ließ das Thema einfach nicht zur Ruhe kommen. Wie viele Wissenschaftler hatten sich wohl während des Krieges ähnlichen Dilemmata ausgesetzt gesehen? Sicher die, die im Schatten arbeiteten, auf den Faustischen Feldern der Atomphysik. Sie hatten viel mit den Menschen gemeinsam, die in den abgeschotteten Laboratorien in Porton Down saßen. Es waren gute Männer, die in schlechten Zeiten lebten. Gute Männer, die Kompromisse eingingen, oder kompromittiert wurden. Wie sollte er diesen Männern erklären, daß er ihnen nicht helfen konnte?
    Mac betrachtete die Regentropfen, die gelegentlich gegen die Fensterscheiben klatschten, sich hinunterwanden wie ein Bakterium auf einer Petrischale und dann verschmolzen und hinunterliefen, anscheinend ohne eine bestimmte Richtung, bis sie auf das Wasser trafen, das sich in der Dachrinne sammelte -eine Bewegung von Flüssigkeit, die genug Kraft besaß, um den Stein darunter auszuhöhlen. Mac dachte an das, was David im Welsh Pony gesagt hatte, an die Amerikaner, die sich für die Invasion sammelten: eine Flut von jungen Männern, die sich aus Flugzeugen auf England stürzte und aus den Bäuchen der Schiffe; eine Flut, die sich zu Gruppen vereinte, die wiederum die Zellen einer gigantischen menschlichen Welle bildeten. Diese Welle stand noch am Anfang, doch sie wuchs jeden Tag, rollte ostwärts und würde bald hoch genug sein, um über den Kanal zu schwappen. Sie würde als Ganzes hinüberschwappen, doch auf dem gegenüberliegenden Strand sollte sie sich brechen und in ihre einzelnen Bestandteile zerfallen, in Individuen, junge Männer, die den Boden mit ihrem Blut tränken würden.
    Dieses umwälzende Ereignis war bereits jetzt so unaufhaltsam wie der Sonnenuntergang, obwohl es noch in der Zukunft lag. Die Männer, die die Fäden zogen, waren in England zusammengekommen, und um sie herum scharte sich millionenfach junges Leben. Diese Männer atmeten den Duft der Geschichte, und wähnten hinter dem Kanal nichts Geringeres als die Armeen der Dunkelheit, die Festung Europa, die Burg des Antichrists, die ihres mächtigen Sturms harrte.
    Aber es erwartete sie dort noch etwas anderes. McConnell hatte es selbst gesehen und auch davon gehört. Er war über den Kanal nach Belgien und Frankreich gereist und hatte den Feldern einen Besuch abgestattet, die einst mit Schützengräben und Schlamm überzogen gewesen waren. Er hatte eine Weile über den gemischten Regimentern aus Knochen gestanden, die, ohne Frieden zu finden, in flachen Gräbern lagen. Und dort, in einem Flüstern, das in dem heulenden Wind kaum zu hören war, hatte er auf dem kahlen Gelände die verwirrten Stimmen von jungen Männern vernommen, die niemals eine Frau gekannt und niemals Kinder bekommen hatten; junge Männer, die niemals erwachsen geworden waren. Sieben Millionen Stimmen hatten unisono eine ungestellte Frage geflüstert, die ihre eigene Antwort war:
    Warum?
    Diese Jungs würden schon sehr bald Gesellschaft bekommen.
    »Geht es Ihnen gut, Doktor Mac?«
    Erschreckt zuckte Mark herum und sah, wie seine Assistenten vier kleine weiße Ratten neben den hermetisch versiegelten Glasbehälter gesetzt hatten, den er »die Blase« nannte.
    »Mir gehts gut, Bill«, antwortete er. »Packen wirs an.«
    Die Blase war beinahe 1,50 in hoch, nicht groß genug, daß ein Mensch darin hätte stehen können, aber für einen kleinen Primaten reichte der Platz vollkommen aus. Gummischläuche verschiedenen Durchmessers schlängelten sich von den Druckbehältern über den Boden zum unteren Rand der Blase. In der Kammer lagen vier runde, verschiedenfarbige Objekte in der Größe von Fußbällen. Die Assistenten packten

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