Schwarzer Tod
umgebracht!«
McConnell schüttelte hoffnungslos den Kopf. »Sie haben mich nie richtig verstanden, stimmts? Sie haben keine Ahnung, warum ich so bin, wie ich bin.«
Smith versteifte sich. »Ich verstehe Sie schon. Ich weiß das mit Ihrem Vater. Aber was würde er jetzt wohl sagen? Ich bitte Sie nur, bei einer Mission des Mitleids mitzumachen. Himmel, Doktor, die Nazis erproben dieses Nervengas an menschlichen Wesen. Warum möchte Stern wohl an dieser Mission teilnehmen? Die meisten dieser menschlichen Versuchskaninchen sind Juden. Die Deutschen schlachten sein Volk ab, während die Welt tatenlos daneben steht und zusieht!«
McConnell betrachtete Sterns Gesicht. Er sah weder Trauer noch Flehen in den Zügen des jungen Mannes. Alles, was er sah, oder zu sehen glaubte, war Ekel. »Es tut mir wirklich leid«, sagte McConnell, »aber ich muß Sie jetzt leider bitten, zu gehen. Ich möchte allein sein.«
Zu seiner Überraschung machte General Smith auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum ohne weiteren Einwand. Der junge Jude zögerte jedoch. Er hatte während der gesamten Unterhaltung geschwiegen, doch jetzt trat er vor, bis er nur noch wenige Zentimeter von McConnells Gesicht entfernt war. Mark war zwar sechs oder sieben Jahre älter als der Fremde, aber er fühlte eine beängstigende Leidenschaft in dem jungen Mann.
»Smith versteht Sie nicht, Doktor«, sagte Stern leise. »Aber ich schon. Sie sind kein Feigling. Sie sind ein Narr. Sie sind wie mein Vater ... und wie eine Million Juden in ganz Europa. Sie glauben an die Vernunft, an das essentiell Gute im Menschen. Sie glauben, daß Sie dem Bösen Herr werden können, indem Sie selbst nichts Böses tun.« Seine Stimme troff geradezu vor Verachtung. »All die Narren, die das geglaubt haben, sind jetzt tot. Sie wurden von Menschen ins Gas und in die Brennöfen geschickt, die die wahre Natur des Menschlichen begriffen haben. Der einzige Unterschied zwischen diesen Narren und Ihnen ist, daß Sie Amerikaner sind.« Stern wechselte plötzlich vom Englischen ins Deutsche, aber McConnell verstand dennoch das meiste von dem, was Stern sagte. »Sie müssen wohl noch einen Schluck aus dem Becher der Schmerzen kosten, den so viele in den letzten zehn Jahren bis zur bitteren Neige geleert haben.«
McConnell wollte etwas darauf erwidern, doch kein Ton drang aus seiner Kehle. Sterns bedeutungsvolle Worte paßten so gar nicht zu dem jungen Gesicht, das sie ausgesprochen hatte ... bis auf die Augen. Die Augen des jungen Juden erinnerten McConnell an die von David, als er über den Verlust seiner Freunde gesprochen hatte. Völlig gefühllos ...
»Stern!« General Smith stand in der offenen Tür. »Lassen Sie ihn in Ruhe!«
Der junge braungebrannte Mann nickte McConnell langsam zu. »Ich bedauere das mit Ihrem Bruder; aber er war nur ein Tropfen in einem Ozean. Darüber sollten Sie vielleicht einmal nachdenken.« Er drehte sich um und folgte dem General in den Flur hinaus.
Als McConnell endlich allein war, las er das Telegramm noch einmal und wie durch einen Nebel. Bedaure, Sie darüber informieren zu müssen ... im Einsatz gefallen ... McConnells Handeln ... immer zur größten Ehre gereicht ... mein persönliches Beileid ... Beileid ... Mark streckte die Hand hinter sich aus und hielt sich an einer Schreibtischkante fest. Er bekam keine Luft mehr. Er stolperte zum nächsten Fenster und versuchte, es zu öffnen. Der Riegel klemmte. Wütend trat er gegen den Eisenrahmen.
In seiner Wut über McConnells Weigerung jagte Smith seinen Bentley in halsbrecherischem Tempo jenseits aller Vernunft über die Straße, von der Geschwindigkeitsbegrenzung ganz zu schweigen. Die Tatsache, daß es stockfinster war und er nur einen Arm hatte, hätte Jonas Stern zu jedem anderen Zeitpunkt verängstigt; aber jetzt war er genauso wütend wie der General.
»Suchen Sie sich doch einen anderen verdammten Chemiker!« Er schrie, um den Lärm des Motors zu übertönen.
»So einfach ist das nicht«, fuhr Smith ihn an. »Ich darf kein militärisches Personal einsetzen, weder Amerikaner noch Briten. Außerdem ist McConnell der beste Mann für den Job. Jedenfalls von allen unter 60.«
Stern schlug mit der Hand gegen die Tür. »Und was sollen wir jetzt tun, zum Teufel? Sie können doch nicht zulassen, daß ein idealistischer Narr uns aufhält.«
General Smith warf dem jungen Zionisten einen kurzen Blick zu. »Ich habe den guten Doktor noch nicht aufgegeben.«
»Nein? Dann müssen Sie verrückt sein.
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