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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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wieder darum kümmern mußt, wie Du zurechtkommst, oder daß Du so hart arbeiten mußt, wie Du es während der Depression getan hast. In meinem Brief an Susan habe ich ihr geschrieben, daß sie sich wieder verheiraten und ein neues Leben anfangen soll, mit Kindern, die sie verdient. Ich hoffe, daß Du sie in diesem Punkt ermutigst, aber sie ist nicht die einzige, die eine Ermutigung braucht. Es steht einem Sohn vielleicht nicht zu, so etwas zu seiner Mutter zu sagen, aber ich mache es trotzdem: Nachdem Dad gestorben ist, glaube ich, hast Du einen Teil von Dir in dem Glauben verschlossen, daß David und ich nie verstehen würden, wenn Du jemals einen anderen Mann lieben würdest. Das ist zwar ein edles Gefühl, aber es ist falsch. David und ich, und auch Dad, wir wollten nichts mehr in unserem
    Leben als Dein Glück. Du hast immer gesagt, Du wärst so ein altes Mädchen, aber Du bist nicht so alt, und niemand sollte sein Leben nur mit Erinnerungen verbringen.
    Kein einziger Tag in meinem Leben ist verstrichen, an dem ich nicht an Dich gedacht hätte. Ich weiß, daß dasselbe auch für David gegolten hat. Gott segne und beschütze Dich.
    Dein Sohn Mark McConnell steckte die beiden Briefe in verschiedene Umschläge und schrieb dann eine kurze Notiz dazu, in der er den Dekan der Universität bat, diese Briefe nach Georgia zu schicken, falls er 90 Tage nichts von ihm gehört hätte. Schließlich legte er beide Umschläge auf die Notiz, blies die Kerze aus und ging ins Bett. Diesmal schlief er sofort ein. Es war ein traumloser Schlaf, ein Schlaf, der so tief war, daß er fast an den Tod erinnerte.
    Um 01:20 Uhr klingelte das Telefon von Brigadegeneral Smith ein letztes Mal in dieser Nacht.
    »Smith«, meldete er sich wieder.
    »Ich habe mein Bestes gegeben, General.«
    Der Schotte lehnte sich im Sessel zurück. »Sie haben sich Ihr Geld verdient, Corporal.«
    »Es hat geklappt?« fragte die Stimme.
    »Ich habe schließlich das verdammte Drehbuch geschrieben, oder?«
    »Himmel, Sir, das haben Sie wirklich. Mir hat der arme Kerl so leid getan, daß ich die Geschichte kaum über die Lippen gebracht habe. Es waren die Einzelheiten, die sie glaubwürdig gemacht haben. Und der Gips. Meine Güte. Es war so, als wäre sie wirklich passiert. Es war ein Kinderspiel.«
    »Die Geschichte war keine Fiktion, Corporal. Sie ist tatsächlich so passiert.«
    »Himmel, es hat mich echt fertiggemacht, den armen Kerl so sehr zu verletzen.«
    »Heißt das, Sie verzichten auf Ihr Geld?«
    »He, ich will jeden einzelnen verfluchten Cent. Ich habe sie mir verdient. 500 Silberlinge.«
    Brigadegeneral Smith kicherte zynisch. »Ich prophezeie Ihnen eine steile Karriere im amerikanischen Kino, Corporal.«
    Er legte auf, warf einen Blick auf seinen Kalender, kritzelte ein paar Notizen auf einen Block und erledigte sein letztes Telefonat in dieser Nacht. Am anderen Ende meldete sich ein Sekretär, aber nach acht Minuten hörte Smith die unverwechselbare Stimme von Winston Churchill in der Leitung.
    »Ich hoffe, daß dies verdammt wichtig ist, Duff«, knurrte der Premierminister. »Sie haben mich von den Marx Brothers weggeholt.«
    »Der Doktor ist mit von der Partie, Winston.« Am anderen Ende herrschte Schweigen. »Wie schnell können Sie hier sein?« fragte Churchill schließlich. »Vermutlich noch vor dem Ende des Films.«
    »Sorgen Sie dafür, daß kein Yankee Sie sieht, Duff. Sie schleichen in London herum wie das verdammte Phantom der Oper.«
    »Gießen Sie mir schon einmal einen Whiskey ein, wenn Sie einen haben.«
    »Schon geschehen.«

15

    In der Dunkelheit redete eine Frau auf Jiddisch. Sie sprach mit dem gutturalen Akzent der Sprachen Osteuropas, aber Rachel Jansen verstand sie ohne Schwierigkeiten. Sie hätte sie sogar verstanden, wenn sie gar kein Jiddisch gekonnt hätte. Verzweiflung muß nicht übersetzt werden.
    Alle Frauen aus der Baracke hatten sich in engem Kreis um eine flackernde Kerze versammelt, die in einer Blechdose brannte. Sie saßen auf dem Boden, Arme um die Knie geschlungen, und wirkten wie Trauergäste in einem finsteren Tempel. Das Kerzenlicht milderte ihre scharfen, vorzeitig gealterten Gesichtszüge nicht, und vor ihren Augenhöhlen schien es sogar zurückzuschrecken. Alle bis auf Frau Hagan trugen ein gelbes Dreieck auf ihren Kitteln.
    Rachel hatte ein solches Ritual noch nie gesehen, ja, sich nicht einmal vorgestellt, daß es so etwas geben könnte. Die Frauen nannten es Den Kreis. Jede Nacht versammelten sie sich

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