Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
Sie war von einem drei Meter hohen Drahtzaun umgeben.
    »Machen sie dort das Gas?« Rachel deutete auf die zwei Ziegelschornsteine, die aus dem hohen Scheunendach ragten.
    Frau Hagan bekreuzigte sich. »Der Backofen des Teufels«, sagte sie leise. »Zeig nicht darauf.«
    »Ich dachte, Sie wären Kommunistin«, bemerkte Rachel. »Kommunisten glauben doch nicht an Gott, oder?«
    Frau Hagan zog ihren grauen Mantel enger um die Schultern. »Gott mag tot sein, Meisje, aber der Teufel lebt und läßt es sich gutgehen. Mir ist kalt. Gehen wir weiter.«
    Sie liefen am Zaun der Fabrik entlang, bis sie zu den SS-Baracken kamen. Dann gingen sie zwischen den Gebäuden und den Hundezwingern hindurch. Rachel spürte ein Kribbeln auf der Haut, als sie an den aufmerksamen Schäferhunden vorüberkamen.
    Sie fuhr unwillkürlich zusammen, als vom Rand des Appellplatzes plötzlich lautes Rufen ertönte.
    »Fußball«, erklärte Frau Hagan, ohne ihr Tempo zu verlangsamen.
    Rachel preßte die Fingernägel in die Handflächen und ging weiter. »Was war eigentlich heute morgen los? Ich habe Schreie und Rufe auf dem Hof gehört.«
    Frau Hagan seufzte müde und trat gegen einen kleinen Schneehügel. »Die Zigeunerin hat versucht, gegen den Zaun zu laufen. Irgend jemand hat sie aufgehalten. Sie hätten sie gewähren lassen sollen.«
    »Gegen den elektrischen Zaun?«
    »Natürlich. In Auschwitz ist das ständig passiert. Auch hier ist es die verbreitetste Selbstmordmethode. Der Zaun hätte dem Leiden der Zigeunerin ein Ende machen können. Jetzt wird etwas Schlimmeres passieren. Vielleicht sogar etwas, das uns alle betrifft.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Frau Hagan sah Rachel an, während sie weiterging. »Wenn man dir deine Kinder wegnehmen würde, Meisje, was würdest du dann tun?«
    »Ich würde verrückt werden.«
    »Eben. Und eine Verrückte ist zu allem fähig und bringt damit uns andere in höchste Gefahr.«
    Frau Hagan blieb stehen, hob ihre massigen Arme, bückte sich und berührte mehrmals ihre Zehen. »Gymnastik«, erklärte sie keuchend. »Ich weiß, wie schockierend das ist. Du hast das Gerede ja selbst gehört. Ja, der vornehme Doktor Brandt ist der Päderast. Es gibt auch einige unter den Gefangenen, aber Brandt ist der schlimmste! Dieser Bastard! Weitz führt sie ihm zu. Ein, manchmal zwei kleine Jungen im Monat, seit er auf diesen Trick mit dem >Familienlager< gekommen ist. Siehst du? Die Welt steht Kopf. Es wäre besser für die Zigeunerin und ihren Sohn gewesen, wenn sie beide in Chelmno vergast worden wären, anstatt gerettet und hierher gebracht zu werden.«
    »Können wir denn gar nichts tun, um dem Jungen zu helfen?« fragte Rachel, die an ihre versteckten Diamanten dachte. »Können wir nicht jemanden bestechen?«
    Frau Hagan wirkte verblüfft. »Bestechen, um was zu tun? Den Jungen zu töten? Das ist der einzige Fluchtweg hier raus. Und wenn dem Jungen etwas passiert, wird Brandt Weitz einfach nur nach einem anderen schicken. Vielleicht nach deinem Jan.«
    Rachel schüttelte sich. »Was ist mit dieser Krankenschwester? Anna Kaas. Kann die nichts tun?«
    Frau Hagan packte Rachel an den Schultern und schüttelte sie heftig. »Bist du vielleicht doch eine Närrin? Erwähne diesen Namen nie wieder hier im Hof! Nie wieder! Hast du das verstanden?«
    »Ich ... Ja. Ich meine, nein, ich mache es nicht mehr.«
    »Seit dieser ganze Wahnsinn angefangen hat, ist sie, soweit ich gesehen habe, die einzige Deutsche, die jemals den Gefangenen geholfen hat. Die einzige!« Die Polin schüttelte Rachel erneut. »Ihr Leben darf nicht durch den nutzlosen Versuch gefährdet werden, ein todgeweihtes Kind zu retten. Schlag dir das aus deinem dummen Kopf!«
    Rachel riß sich los, doch noch bevor sie fünf Schritte gemacht hatte, packte Frau Hagan sie am Arm. »Nicht so schnell, Meisje. Du hast von Bestechung geredet. Was hast du denn, womit du jemanden bestechen könntest?«
    »Nichts.« Rachel errötete. »Nur meine Rationen wie alle anderen auch.«
    »Hauptscharführer Sturm hat Leute verhört, weißt du? Er fragt nach irgendwelchen Diamanten, die angeblich bei einer Selektion auf dem Hof verlorengegangen sind.«
    »Davon weiß ich nichts.« Rachel bereute die Lüge sofort.
    Frau Hagan konnte sie jederzeit durchsuchen, und die Polin kannte alle Verstecke. Rachels Körperöffnungen würde sie als erstes filzen.
    »Jemand hat gesagt, daß dein Dummkopf von Schwiegervater die Diamanten gehabt hätte. Weißt du immer noch nichts davon?«
    »Nein.

Weitere Kostenlose Bücher