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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Ich meine, ich wußte nicht, daß er die Diamanten hatte, jedenfalls nicht bis zu jener Nacht. Sturmbannführer Schörner hat Sturm gezwungen, sie auf den Hof zu werfen.«
    Frau Hagan dachte darüber nach. »An diesem Abend, nach der Selektion, bist du zur Toilette gegangen und lange dort geblieben.«
    »Meine Kinder waren krank.«
    Frau Hagan blickte sie nach wie vor unverwandt an.
    »Die Diamanten waren auf dem Appellplatz!« sagte Rachel. »Auf der anderen Seite des Zauns!«
    »Du hättest hinüberklettern können.«
    »Und meine Kinder allein lassen?« Rachel erinnerte sich an den Wahnsinn, der sie überkommen hatte, Jan und Hannahs kleine Händchen loszulassen und über den kalten Zaun zu klettern. »Wenn ich dabei erwischt worden wäre, hätte ich sie nie wiedergesehen!«
    Frau Hagan nickte. »Das ist wahr, Meisje. Und ich frage mich, ob du wohl soviel Courage hast.«
    »Ich versichere Ihnen, daß ich das niemals tun würde.«
    »Wenn ich dich jetzt also durchsuchen würde, fände ich keine Diamanten?«
    »Nein.«
    Die Blocksprecherin neigte den massigen Kopf zur Seite. »Hast du noch jemand anderen in der Nacht getroffen, als du zur Toilette gegangen bist?«
    Rachel fühlte sich in die Enge getrieben. Sie zögerte, doch schließlich antwortete sie, obwohl sie sich dabei wie eine Verräterin vorkam. »Den Schuhmacher. Ich habe ihn in dieser Nacht vor dem Zaun gesehen.«
    Frau Hagans Augen funkelten zufrieden. »Das hätte ich mir denken können.«
    »Sie erzählen Sturm doch nichts davon, oder?«
    Aus Richtung des Haupttors drangen noch mehr Schreie herüber.
    »Komm mit, Meisje.« Frau Hagan zog Rachel hinter sich her.
    Die beiden Frauen traten aus dem Schatten der Kommandantur heraus. Rachel sah ein Dutzend SS-Männer, die in ihren braunen Unterhemden und schwarzen Knobelbechern über den Exerzierplatz hetzten. Hauptscharführer Sturm war der Kapitän der einen Mannschaft in dem Fußballspiel, bei dem zwei große Munitionskisten als Tore dienten. Eine ziemlich große Zuschauermenge aus Gefangenen und SS-Männern hatte sich versammelt, um dem Spiel zuzusehen. Es gab keine Barriere zwischen dem Exerzierplatz der SS und dem Appellplatz.
    Rachel sah sofort, daß Sturm und seine Leute mit derselben Brutalität Sport betrieben, mit der sie auch ihre Pflichten erfüllten. Zwei Spieler der gegnerischen Mannschaft humpelten bereits aufgrund von Verletzungen.
    »Willi Gauss ist der Kapitän der anderen Mannschaft«, erklärte Frau Hagan, als sie sich zwischen die zerlumpten Zuschauer mischten. »Er ist Oberscharführer, und somit im Rang Sturm unterstellt. Er hat mir mal ein Stück Pappe gegeben, damit ich meinen Schuh flicken konnte.«
    Frau Hagans Kommentar erinnerte Rachel an den Schuhmacher. Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen und entdeckte ihn am Blockzaun. Der drahtige, dunkelhäutige Mann überragte die anderen Gefangenen um fast einen Kopf. »Wer ist eigentlich der Leiter des jüdischen Männerblocks?« fragte sie beiläufig.
    Frau Hagan sah sie abschätzend an. »Nach der letzten Selektion hat der Schuhmacher die niedrigste Nummer. Vermutlich werden die Überlebenden ihn wählen. Es sind ohnehin nur noch eine Handvoll übrig, und er ist schon länger hier im Lager als ich.«
    »Sie mögen ihn nicht.«
    »Er hilft der SS.«
    »Indem er Schuhe für sie macht?«
    »Und Stiefel und Hausschuhe, die sie dann nach Hause schicken, zu ihren schlampigen Ehefrauen. Warum bist du so neugierig, Meisje?«
    Das unüberhörbare Knacken von Knochen ersparte Rachel eine Antwort. Auf dem Feld stand einer von Sturms Leuten lachend da und deutete auf einen am Boden liegenden Mann. Als der Gestürzte vom Feld getragen wurde, wandte sich Oberscharführer Gauss an einen einsamen Mann, der an der Wand der Kommandantur lehnte.
    »Bitte, Sturmbannführer! Mein Torhüter ist außer Gefecht gesetzt. Helfen Sie uns!«
    Rachel hatte Schörner unter dem überstehenden Dach nicht bemerkt. Der Sturmbannführer lehnte die Bitte des Oberscharführers mit einem Winken ab, doch auch andere Spieler bedrängten ihn und argumentierten schließlich, daß sie das Spiel abbrechen müßten, es sei denn, jemand würde ihre Unterzahl ausgleichen. Schließlich streifte Schörner seine graue Uniformjacke ab, faltete sie sorgfältig zusammen und legte sie auf den Stromkasten.
    »Na«, meinte Frau Hagan, »das kann ja interessant werden.«
    »Warum?«
    »Schörner gegen Sturm. Seit Schörner letzten September hierher versetzt wurde, ermahnt er

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