Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Fetzen einer spanischen Ballade. Eine Frau schluchzte von Liebe und Verlust und verstummte mitten im Satz.
Drum drückte die Zigarre aus und ging zu seinem Auto zurück. Eine Sternschnuppe durchquerte den Himmel und verglühte zu nichts.
20
Gene hielt sich noch immer das stumme Handy ans Ohr. Dellbert Drum hatte seine Forderungen vorgetragen und anschließend aufgelegt. Als Gene das Telefon sinken ließ, beschien das leuchtende Display eine Seite seines Gesichts, und er sah seinen Vater im Wohnzimmerspiegel. Dann verlosch das kalte Licht. Gene stand im Dunklen, lauschte dem hohlen Ticken der Wanduhr und dem tiefen Brummen des Kühlschranks in der Küche. Er stellte sich vor, wie er seinen Waffenschrank aufschloss, die Remington-Pumpgun lud, durch die einsame Nacht zu Drums Haus fuhr und die Sache ein für alle Mal erledigte. Genau so hätte es sein Vater gemacht.
Er drückte die Handfläche gegen die klamme Glasscheibe des Kirschholzschranks und kämpfte gegen die Mordlust an. Erst als er an Timmy dachte, der oben schlief, kam er wieder zur Besinnung. Ja, Drum war eine Gefahr. Käuflich und korrupt. Ein abgrundtief böser Mann, ein Scheusal, aber trotzdem ein Mensch – mit allen menschlichen Schwächen.
Gene würde morgen mit ihm in die Stadt fahren, um diesen Drogenhändler zu treffen. Er würde seinen Part in diesem Spiel spielen und geduldig abwarten, bis er Drum und seinem bigotten Kumpan den Garaus machen konnte. In der Zwischenzeit hatte er Timmy vor einer weitaus größeren Gefahr zu beschützen.
Trotz seiner fast religiösen Hingabe zu allem, was rationell und real war, konnte Gene nicht verhindern, dass seine wachsende Furcht so etwas wie eine Vorahnung aus seinen Eingeweiden aufsteigen ließ. Der Gestank der Angst drang durch sein Uniformhemd – der Angst, dass eine dunkle Macht Jimmy zu ihrer Beute machte.
Gene beruhigte sich wieder, öffnete den Waffenschrank und nahm die Remington heraus. Sie stand neben einem alten Hamilton-Kleinkaliber, das er eigentlich seit Längerem hatte funktionstüchtig machen wollen, um mit Timmy Hasen und Vögel zu jagen, wenn er etwas älter war. Mittlerweile hatte er diesen Plan verworfen. Es war wohl besser, wenn er seinem Sohn das Blutvergießen nicht beibrachte.
Die roten Schrotpatronen waren in einer Schachtel in der Schublade. Er klappte die Flinte auf und lud sie. Dabei erinnerte er sich an die letzte Gelegenheit, bei der er sie benutzt hatte: Er hatte die rasende Frau glatt in zwei Hälften geschossen. Ihre abgetrennten Beine hatten noch im roten Sand gezappelt und um sich getreten und kleine Staubwolken aufgewirbelt, bis auch der letzte Lebensfunke ihr Nervensystem verlassen hatte.
Gene schloss den Schrank, ging mit der Remington zur Haustür und legte die Riegel vor. In der Küche tastete er nach dem Lichtschalter, blinzelte in den grellen Schein der Neonlampen und legte die Remington auf die Arbeitsfläche neben den ausgeschalteten Fernseher. An der Tür, die in den Garten führte, befand sich kein Riegel. In seiner Eile, Skye rauszuwerfen, hatte er vergessen, den Hausschlüssel von ihr zurückzuverlangen.
Gene steckte den Kühlschrank aus, stemmte die Schulter gegen das Metall und schob. Kakerlaken irrten über den Boden und die Wand, vor der der Kühlschrank jahrelang ungestört gestanden hatte. Es war ein altes, schweres Gerät. Gene musste alle Kraft aufbringen, um es vor die Tür zu zerren.
Dann löschte er das Licht, ging in Timmys Schlafzimmer, trat um eine knarrende Bodendiele herum, setzte sich auf ein Kissen vor dem Fenster und lauschte dem leisen Atem seines Sohnes. Die Remington lehnte neben ihm.
Heute Nacht würde Gene kein Auge zumachen. Er würde Wache halten. Und wenn Skye zurückkehrte, würde er sie erschießen.
21
Der Andere weckte sie aus einem Traum von Blut und Fleisch. Raubtierhunger trieb sie aus dem Bett – Skye war nur Passagier, eine Beobachterin, eine von einem Parasiten befallene Wirtin. Trotz regelmäßiger Koffeindosen war sie eingeschlafen. Darauf hatte das dunkle Ding nur gewartet – und sie überfallen, als sie am verwundbarsten war.
Um nicht einzuschlafen, hatte sie ein kühles Bad genommen, alle Schlafzimmerfenster in der Hoffnung auf einen kalten Luftzug aufgerissen, sich nackt unter die Decke gelegt, Kaffee und ein Red Bull getrunken, den sie sich aus Mintys Kühlschrank genommen hatte. Eine endlose Reihe von Actionfilmen war aus dem Fernseher gedröhnt, bis der Nachbar von unten mit einem Besenstiel gegen die
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