Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
bei dir passiert ist.«
»Diego, ich kann dir nicht helfen.«
»Gene, gib mir irgendwas, Mann. Die Leute hier sind kurz vorm Ausflippen.«
»Trotzdem kann ich dir nicht helfen.«
»Das merk ich mir. Kapiert, Chief Deputy?«
»Danke für den Anruf, Detective.«
Gene ließ das Handy fallen, sah in den Rückspiegel, beobachtete die Gehwege.
Hielt Ausschau nach Skye.
23
Skye saß in Mintys alter Badewanne, hatte die Arme um den Körper geschlungen und kämpfte gegen das Zittern an, das ihre Zähne zum Klappern brachte. Ihre bebenden Gliedmaßen erzeugten kleine Wellen, die gegen die Emailwand der Wanne schlugen.
Dies war bereits das zweite Bad, das sie sich eingelassen hatte. Die erste Wasserfüllung hatte sich tiefrot von dem Blut gefärbt, das ihren nackten Körper bedeckt und ihr Haar verklebt hatte. Sie hatte sich die Haut beinahe wund geschrubbt, dann das blutige Wasser abgelassen und das Email mit dem ätzenden Desinfektionsmittel geputzt, das sie im Schrank unter dem Badezimmerspiegel gefunden hatte. Schließlich hatte sie die Wanne erneut gefüllt und sich in das fast unerträglich heiße Wasser gesetzt.
Das Zittern ließ so weit nach, dass sie sich die Zähne putzen und mit Zahnseide bearbeiten konnte, bis ihr Zahnfleisch blutete. Sie beugte sich vor, spuckte in die Toilette, spülte und beobachtete, wie die Zahnpasta samt der blutgetränkten Zahnseideschlange im Strudel verschwand.
Der Kerl von gestern Abend lag ihr schwer im Magen. Ihr Bauch blähte sich im dampfenden Wasser. Sie spürte, wie die Gifte des Mannes in ihrem Körper schwammen, kroch zur Toilette und steckte sich die Finger in den Hals. Mehr als einen dünnen Strahl matschbrauner Kotze konnte sie allerdings nicht hervorwürgen. Der Andere wachte über ihren Mageninhalt, weil er das Menschenfleisch zum Überleben brauchte.
Skye streckte sich aus, verschränkte steif die Arme unter den Brüsten, hob den Fuß und drehte damit den Heißwasserhahn auf. Sie schloss die Augen, atmete Dampf, versuchte sich zu beruhigen, den Selbsthass und die Beklemmung zurückzudrängen.
Sie stellte sich vor, in der amniotischen Flüssigkeit eines Mutterleibs zu schweben. Ein tröstliches Bild. Bis eine Frage auf der leeren Leinwand ihres Verstandes auftauchte. Was war sie? Aus welchem Bauch war sie gekrochen? Welche seltsame DNA trug sie in sich, die sie solch abscheuliche Verbrechen begehen ließ?
Wie in einer Rückblende tauchten die Ereignisse der vergangenen Nacht vor ihrem geistigen Auge auf. Sie war gezwungen, alles noch einmal zu durchleben: wie sie beinahe Gene und Timmy getötet hätte; die grässliche Geschichte jenseits der Grenze; wie sie sich in der Dämmerung nackt und blutig auf der Hauptstraße ihres Heimatorts wiedergefunden hatte, zusammengerollt hinter einem Müllcontainer. Ein Streifenwagen war vorbeigefahren, die Straßenlampen hatten Bobby Hecks ahnungsloses Gesicht beleuchtet.
Sie geriet in Panik und richtete sich schlagartig auf. Ihr Herz raste, ihr Knie stieß gegen einen Drahtkorb, der am Wannenrand hing und mit diversen Kosmetika gefüllt war. Plastikbehälter fielen ins Wasser. Skye fischte sie mit ungeschickten, zitternden Händen heraus und stellte sie in den Korb zurück. Etwas Scharfes stieß gegen ihr Bein. Ein Männerrasierer, den wahrscheinlich einer von Mintys Exliebhabern hier vergessen hatte.
Es war ein alter Rasierer mit verziertem Chromgriff. Die Kanten einer rostfreien Rasierklinge standen an den Seiten heraus – er sah ganz anders aus als die Wegwerfteile aus Plastik, die Gene benutzte. Skye fuhr mit dem Finger über die Klinge. Sie war sehr scharf.
Ohne sich im Klaren darüber zu sein, was sie tat, drehte Skye den Rasierer zwischen den Fingern hin und her, versuchte, ihn zu öffnen. Plötzlich erinnerte sie sich an ihren Onkel, an den lustigen Anblick seines vom Rasierschaum weißen Gesichts. Er stand im Unterhemd vor dem Waschbecken des Badezimmers in dem Haus, in dem sie und Gene aufgewachsen waren. Mit dem Finger kratzte er etwas Rasierschaum von seiner Wange und tupfte ihn auf ihre Nase. Die fünf- oder sechsjährige Skye hatte gekichert. Da sie noch zu klein war, um in das Waschbecken zu gucken, hatte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt und beobachtet, wie er den Rasierer aufschraubte, die alte Klinge herausnahm und eine neue hineinsteckte.
Jetzt wiederholten ihre Finger diese Bewegung. Einen Augenblick lang überkam sie brennende Scham – sie war in seiner Todesstunde nicht bei ihm gewesen, zu
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