Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
ließ die leere Uzi fallen, griff mit der Hand in den blutigen Haufen, der von den dunkelhäutigen Siamesischen Zwillingen noch übrig war, und zog eine .44er hervor. Er richtete die Waffe auf Drum und spannte den Hahn.
Drums Hemdbrust war von Schweiß und Blut bedeckt. »Wenn du mich tötest, tötest du auch deinen Jungen«, sagte er.
31
Skye versteckte sich vor der Welt in Mintys Bett. Die Vorhänge sperrten die gleißende Nachmittagssonne aus. Sie war allein in der Wohnung. Seit dem Vorfall heute Morgen im Badezimmer hatte sie Minty nicht mehr gesehen. Dafür schuldete sie der Ärmsten noch eine Erklärung. Mit anderen Worten: Sie würde lügen müssen, dass sich die Balken bogen.
An Schlaf war nicht zu denken – sobald sie die Augen schloss, war sie wieder jenseits der Grenze, sah das zerfetzte Fleisch und die freiliegenden Gedärme, die der Andere so genossen hatte, die Skye aber wie ein Gift vorgekommen waren, das noch immer in ihrem Verdauungssystem wütete.
Was bin ich?
Wieder diese Frage. Sie war mit den idiotischen Twilight -Filmen aufgewachsen und wusste genau, dass sie kein Vampir war. Obwohl das gar nicht so schlecht gewesen wäre – dann hätte sie ins Sonnenlicht treten und alles beenden können. Eigentlich hatte sie mehr Ähnlichkeit mit einem Werwolf. Doch sogar diese reißenden Bestien waren harmlos im Vergleich zu ihr, denn schließlich verzehrten sie nur Menschenfleisch, wenn der Vollmond schien. Skye dagegen hatte fünf Männer in zwei Tagen gefressen.
Sie stellte sich die Unterhaltung mit Minty vor: Ich hab am Dienstag im Ort gegessen, bin aber gestern Abend kurz über die Grenze gefahren, weil mir nach was Exotischerem war. Selbst Minty, der freizügigste Mensch, den sie kannte, würde dabei bis in die gefärbten Haarspitzen erbleichen. Oder sie für völlig durchgeknallt halten.
Wo komme ich her?
Das war eine viel interessantere Frage.
Sie nahm den Rosenkranz vom Bett und hielt ihn hoch. Ein Lichtstrahl, der durch eine Lücke in den Vorhängen schien, fiel auf das Kruzifix. Staubkörner tanzten wie Revuegirls darum herum. Sie drehte die Holzperlen, sodass das Kreuz hin und her baumelte und sie die detaillierte Silberfigur des Gekreuzigten bewundern konnte.
Die Bewegung, die das Kruzifix beschrieb, war hypnotisch. Skye verfiel in eine Art Trancezustand, stürzte ein Kaninchenloch hinunter, das sie zurück in ihre Kindheit transportierte. Sie war etwa sechs Jahre alt und spazierte mit ihrer Adoptivmutter die Hauptstraße entlang (damals, als die Stadt noch geblüht und die vollen Schaufenster gefunkelt hatten). Skye hüpfte fröhlich voran, beachtete die Passanten um sie herum nicht weiter und konzentrierte sich ganz und gar darauf, nicht auf die Risse im Pflaster zu treten.
Ein Riese von einem Mann in weißen Gummistiefeln und weißem Overall trug einen Tierkadaver aus einem Lieferwagen, aus dem Trockeneis dampfte. Er war auf dem Weg in die Metzgerei und versperrte Skye den Weg. Sie schlängelte sich schnell an ihm vorbei, da sie das kopflose Schwein nicht sehen wollte, dessen Rippen wie Eisenstangen gegen das verstümmelte rosa Fleisch drückten.
Sie beruhigte sich erst wieder, als sie das Antlitz einer lächelnden Porzellanpuppe sah, und drückte die Nase gegen die Fensterscheibe eines Ladens, in dem es nur alte und wunderbare Dinge gab. Sie legte die Hände vor das Glas und ließ den Blick durch das Schaufenster schweifen. Vorbei an einem Elefanten aus Elfenbein, einem Zylinder samt Cape und einem purpurroten Schneckenhaus – bis sie ein Gesicht anstarrte, ein Antlitz so voller Schmerz, dass sie das tote Schwein sofort vergaß.
Es war ein Bild des am Kreuz hängenden Jesus in leuchtenden Farben auf einem Samthintergrund, so schwarz und glatt wie das Fell einer Katze. Die Todesqualen waren fast fotorealistisch dargestellt: die Dornenkrone auf dem mittelblonden Lockenhaar, die Blutstropfen, die die Stirn, die Hände und Füße hinunterliefen, die blutenden Löcher im Fleisch, der Schmerz in den Augen, die Skye wie Röntgenstrahlen durchbohrten. Ein Ruck durchfuhr sie. Etwas Altes, Dunkles und Schreckliches erwachte.
Mit einem Kreischen sprang Skye zurück, stieß gegen ihre Mutter, die sie in die tröstenden Arme nahm, vom Schaufenster wegzerrte und dabei etwas über die Papisten mit ihren Götzenbildern vor sich hin murmelte. In der Folge war Skye immer auf der gegenüberliegenden Straßenseite an dem Laden vorbeigegangen, die Augen starr auf den Boden gerichtet.
Jahre
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