Schwarzes Echo
Als er das sagte, sah er Wish direkt an. Bosch gehörte hier nicht zu den Entscheidungsträgern. Sie antwortete nicht, also fügte Rourke hinzu: »Hätten wir ihm unseren Schutz anbieten sollen?«
Bosch konnte nicht widerstehen. »Vor wem?«
Eine feuchte Strähne löste sich und fiel über Rourkes Stirn. Dann wurde sein Gesicht puterrot.
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Woher wußten Sie, daß das LAPD den Fall hat?«
»Was?«
»Sie haben gerade eben gefragt, ob wir den Fall vom LAPD übernehmen sollten. Woher wußten Sie, daß die ihn haben? Wir haben es Ihnen nicht gesagt.«
»Ich bin einfach davon ausgegangen. Bosch, was Sie damit andeuten, nehme ich Ihnen persönlich übel. Wollen Sie etwa sagen, daß ich oder sonst jemand … Falls Sie damit sagen wollen, daß es bei den Strafverfolgungsbehörden eine undichte Stelle in diesem Fall gibt, dann werde ich mich noch heute um eine interne Untersuchung bemühen. Aber ich sage es Ihnen gleich: Falls es eine undichte Stelle gibt, dann nicht beim FBI.«
»Wo zum Teufel sollte sie sonst sein? Was ist mit den Berichten passiert, die Sie bekommen haben? Wer hat sie gesehen?«
Rourke schüttelte den Kopf.
»Harry, machen Sie sich nicht lächerlich. Ich kann Ihre Gefühle nachempfinden, aber lassen Sie uns einen Moment zur Ruhe kommen und nachdenken. Der Zeuge wurde von der Straße geholt, im Revier von Hollywood vernommen und dann an einer öffentlic hen Unterkunft für Jugendliche abgesetzt.
Und schließlich ist Ihnen Ihr eigenes Department auf den Fersen, Detective. Es tut mir leid, aber offenbar traue n Ihre eigenen Leute Ihnen nicht.«
Boschs Miene verfinsterte sich. Er fühlte sich irgendwie betrogen. Rourke konnte von der Observation nur durch Wish erfahren haben. Sie hatte Lewis und Clarke entdeckt. Wieso hatte sie nicht anstelle von Rourke mit ihm darüber gesprochen? Bosch sah zu ihr hinüber, aber sie starrte auf ihren Schreibtisch. Wieder sah er Rourke an, der nickte, als säße sein Kopf auf einer Feder.
»Ja, sie hat Ihren Schatten schon am ersten Tag entdeckt.« Rourke sah sich im leeren Einsatzraum um, wünschte offensichtlich, er hätte mehr Publikum. Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, wie ein Boxer, der in seiner Ecke ungeduldig auf den Beginn der nächsten Runde wartet, um seinem angeschlagenen Gegner den endgültigen K.o. zu verpassen. Immer noch saß Wish schweigend an ihrem Tisch. Und in diesem Augenblick schien es Bosch eine Million Jahre her zu sein, daß sie einander im Bett umarmt hatten. Rourke sagte: »Vielleicht sollten Sie sich selbst und Ihr Department mal genauer ansehen, bevor Sie rumlaufen und wilde Anschuldigungen verbreiten.«
Bosch sagte nichts. Er stand nur auf und ging zur Tür.
»Harry, wo gehst du hin?« rief Eleanor von ihrem Schreibtisch hinterher.
Er drehte sich um, sah sie kurz an, und ging dann hinaus.
Als Boschs Caprice aus der Garage des Federal Building kam, hängten sich Lewis und Clarke an ihn. Clarke saß am Steuer. Pflichteifrig notierte Lewis die Zeit in seinem Observationsbericht.
Er sagte: »Dem haben sie die Suppe versalzen. Bleib lieber nah dran.«
Bosch war am Wilshire rechts abgebogen und steuerte den 405 an. Clarke erhöhte seine Geschwindigkeit, um ihn in der morgendlichen Rush-hour nicht zu verlieren.
»Mir wär auch die Suppe versalzen, wenn ich gerade meinen einzigen Zeugen verloren hätte«, sagte Clarke. »Und wenn ich auch noch schuld wäre, daß er umgelegt wurde.«
»Wie kommst du darauf?«
»Du hast es doch gesehen. Er hat den Jungen in dieser Unterkunft abgeliefert und ist seiner Wege gezogen. Ich weiß nicht, was dieser Junge gesehen oder was er ihnen erzählt hat, aber es war immerhin wichtig genug, ihn dafür zu eliminieren. Bosch hätte besser aufpassen sollen. Ihn wegsperren.«
Sie fuhren auf der 405 Richtung Süden. Bosch war zehn Wagen voraus, blieb jetzt auf der langsamsten Spur. Auf dem Freeway drängte sich eine stinkende Masse schleichenden Blechs.
»Ich glaube, er will rüber zur 10«, sagte Clarke. »Er fährt nach Santa Monica. Vielleicht zurück in ihre Wohnung, wahrscheinlich hat er seine Zahnbürste vergessen. Oder sie kommt hinterher, um sich mit ihm auf ein Schäferstündchen zu treffen. Soll ich dir was sagen? Lassen wir ihn doch fahren und sprechen mit Irving. Ich glaube, mit dieser Zeugensache läßt sich was anfangen. Vielleicht Pflichtversäumnis. Das genügt, um eine Anhörung zu bekommen. Dann schmeißen sie ihn wenigstens
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