Schwarzes Echo
ortsübliche Gebühr entrichten, einen Zehnten aufs Haus sozusagen. Diese Zahlung hielt die Polizei fern und garantierte praktisch, daß das Geschäft nicht gestört wurde … in bestimmten Grenzen. Die einzige Sorge galt der US-Militärpolizei. Natürlich konnte man auch die bestechen, nehme ich an. Solche Gerüchte gab es immer. Jedenfalls hat das System jahrelang funktioniert, vom Anfang bis zum amerikanischen Rückzug, ich meine bis zum 30. April 1975, dem Tag, als Saigon fiel.«
Eleanor nickte und wartete darauf, daß er fortfuhr.
»Das militärische Engagement dauerte über ein Jahrzehnt, und vorher waren die Franzosen da. Wir sprechen hier von vielen, vielen Jahren ausländischer Intervention.«
»Millionen«, sagte Bosch.
»Bitte?«
»Sie sprechen von Millionen Dollar an Bestechungsgeldern.«
»Ja, absolut. Viele Millionen Dollar, wenn man sie über die Jahre zusammenrechnet.«
»Und was hat Captain Binh damit zu tun?« fragte Eleanor.
»Sehen Sie«, sagte Ernst, »unseren damaligen Informationen nach wurde die Korruption innerhalb der Polizei von Saigon von einer Triade namens Devil’s Three kontrolliert. Man bezahlte sie, oder ma n machte keine Geschäfte. So einfach war das.
Zufällig, oder eher keineswegs zufällig, hatte die Polizei von Saigon drei hohe Beamte, deren Domäne sozusagen ungemein passend mit der Domäne der Triade übereinstimmte. Ein Captain für die Sitte. Einer für Drogen. Einer für den Streifendienst. Unseren Informationen nach waren diese drei die Triade.«
»Sie sagen ›unsere Informationen‹. Sind das Informationen von Handel und Entwicklung? Woher haben Sie das?«
Ernst machte eine Bewegung, als wollte er schon wieder die Sachen auf seinem Tisch ordnen, und blickte Bosch dann mit kaltem Blick an. »Detective, Sie kommen wegen Informationen zu mir. Wenn Sie wissen wollen, woher die stammen, sind Sie bei mir falsch. Sie können glauben, was ich Ihnen sage, oder auch nicht. Das hat für mich keine Bedeutung.«
Die beiden Männer starrten einander an, sagten aber nichts weiter.
»Was ist mit ihnen geschehen?« fragte Eleanor. »Mit den Mitgliedern der Triade.«
Ernst löste seinen Blick von Bosch und sagte: »Nachdem die Vereinigten Staaten 1973 ihre militärischen Verbände zurückgezogen hatten, waren die Einnahmequellen der Triade so gut wie versiegt. Wie verantwortungsvolle Geschäftsleute hatten sie dies allerdings vorausgeahnt und sich einen Ersatz gesucht. Unseren damaligen Informationen nach verbesserten sie ihre Stellung erheblich. Anfang der Siebziger hielten sie nicht mehr nur die Hand über sämtliche Drogenaktivitäten in Saigon, sondern nahmen auch daran teil. Durch politische und militärische Kontakte und – natürlich – mit Hilfe ihrer Polizeimacht etablierten sie sich als Makler für alles braune Heroin, das aus dem Hochland kam und in die Vereinigten Staaten verschifft wurde.«
»Aber das dauerte nicht an«, sagte Bosch.
»Oh, nein. Natürlich nicht. Als Saigon im April 1975 fiel, mußten sie weg. Sie hatten Millionen gemacht, jeder schätzungsweise fünfzehn bis achtzehn Millionen amerikanische Dollar. Die wären in der neuen Ho-Chi-Minh-Stadt wertlos gewesen, ganz abgesehen davon, daß Tote ohnehin keine Freude an Reichtümern mehr haben. Die Triade mußte raus, denn sonst hätten sie sich vor einem Erschießungskommando der Nordarmee wiedergefunden. Und sie mußten ihr Geld rausbringen …«
»Also, wie haben sie es gemacht?«
»Es war schmutziges Geld. Geld, das ein Captain der Polizei nicht haben konnte oder sollte. Ich nehme an, sie hätten es nach Zürich überweisen können, aber Sie müssen bedenken, daß wir es mit vietnamesischer Kultur zu tun haben. Geboren aus Chaos und Mißtrauen. Krieg. Diese Leute trauten noch nicht einmal den Banken in ihrem eigenen Land. Und außerdem war es inzwischen kein Geld mehr.«
»Wie?« sagte Eleanor verblüfft.
»Die ganze Zeit über hatten sie es schon eingetauscht. Wissen Sie, wie achtzehn Millionen Dollar aussehen? Die Scheine würden wahrscheinlich ein ganzes Zimmer füllen. Also fanden sie eine Möglichkeit, die Masse zu schrumpfen. Zumindest sind wir davon überzeugt.«
»Edelsteine«, sagte Bosch.
»Diamanten«, sagte Ernst. »Man sagt, die richtigen Diamanten im Wert von achtzehn Millionen Dollar würden ohne weiteres in zwei Schuhkartons passen.«
»Und in ein Schließfach im Tresor«, sagte Bosch.
»Das könnte sein, aber bitte, ich möchte nichts wissen, was ich nicht wissen
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