Schwarzes Echo
kurzfristig?«
»Natürlich«, sagte Eleanor.
»Geben Sie mir den Namen.«
Ernst schob einen Zettel über die Schreibunterlage. Eleanor schrieb Binhs Namen darauf und schob ihn zurück. Ernst sah den Zettel einen Augenblick lang an und stand auf, ohne ihn überhaupt angerührt zu haben.
»Ich will sehen, was ich tun kann«, sagte er und ging hinaus.
Bosch sah Eleanor an.
»›Ellie‹?«
»Bitte, niemand darf mich so nennen. Deshalb nehme ich seine Anrufe nicht entgegen und rufe auch nicht zurück.«
»Du meinst, bisher. Jetzt bist du ihm was schuldig.«
»Falls er was findet. Du aber auch.«
»Ich glaube, er darf mich Ellie nennen.«
Sie lächelte nicht.
»Wie hast du den Kerl überhaupt kennengelernt?«
Sie antwortete nicht.
Bosch sagte: »Wahrscheinlich belauscht er uns gerade.«
Er sah sich im Zimmer um, obwohl Abhörgeräte ohne Frage versteckt gewesen wären. Er nahm seine Zigaretten heraus, als er den schwarzen Aschenbecher auf dem Schreibtisch entdeckte.
»Bitte nicht rauchen«, sagte Eleanor.
»Nur eine halbe.«
»Ich habe ihn kennengelernt, als wir beide in Washington waren. Ich weiß nicht mal mehr, wieso. Damals war er auch beratender Irgendwas beim Außenministerium. Wir haben ein paar Drinks genommen. Das war alles. Irgendwann danach wurde er hierher versetzt. Als er mich hier im Fahrstuhl gesehen hat und rausfand, daß ich versetzt worden war, fing er an, mich anzurufen.«
»CIA vom Scheitel bis zur Sohle, stimmt’s? Oder irgendwas in der Art.«
»Mehr oder weniger, glaube ich. Ist mir egal, wenn wir kriegen, was wir haben wollen.«
»Mehr oder weniger. Ich hab’ im Krieg ein paar von diesen Typen kennengelernt. Ganz egal, wieviel er uns heute erzählt, es wird immer noch mehr geben. Deren Währung ist die Information. Die geben niemals alles preis. Wie er gesagt hat: Sie dezentralisieren Informationen. Die lassen dich umlegen, bevor sie alles erzählen.«
»Können wir dieses Gespräch jetzt abbrechen?«
»Sicher … Ellie.«
Bosch vertrieb sich die Zeit damit, zu rauchen und die leeren Wände zu betrachten. Der Typ gab sich keine große Mühe, den Raum wie ein echtes Büro aussehen zu lassen. Keine Flagge in der Ecke. Nicht mal ein Foto vom Präsidenten. Nach zwanzig Minuten kam Ernst zurück, und inzwischen war Bosch bei seiner zweiten Zigarette. Als der Berater für Handel und Entwicklung mit leeren Händen an seinen Schreibtisch trat, sagte er: »Detective, würde es Ihnen etwas ausmachen, nicht zu rauchen? Ich empfinde es in geschlossenen Räumen als äußerst unangenehm.«
Bosch drückte die Kippe in der kleinen, schwarzen Schale am Rand des Schreibtisches aus.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich hab’ den Aschenbecher gesehen. Ich dachte …«
»Das ist kein Aschenbecher, Detective«, sagte Ernst düster. »Es ist eine Reisschale, dreihundert Jahre alt. Ich habe sie nach meiner Stationierung aus Vietnam mitgebracht.«
»Haben Sie da auch in Handel und Entwicklung gemacht?«
»Entschuldigen Sie, Bob, haben Sie irgendwas gefunden?« unterbrach Eleanor. »Wegen des Namens?«
Es dauerte lange, bis Ernst seinen Blick von Bosch löste.
»Ich habe nur sehr wenig gefunden, aber das, was ich gefunden habe, könnte hilfreich sein. Dieser Mann, Binh, ist ein ehemaliger Polizeibeamter aus Saigon. Ein Captain … Bosch, sind Sie Veteran dieses Konflikts?«
»Sie meinen den Krieg? Ja.«
»Natürlich sind Sie das«, sagte Ernst. »Verraten Sie mir doch, ob diese Information Ihnen etwas sagt.«
»Nicht viel. Ich war die meiste Zeit im Landesinneren. Hab’ von Saigon außer den Yankee-Bars und Tätowiersalons nicht viel gesehen. Der Mann war Captain bei der Polizei. Sollte es mir was sagen?«
»Wohl nicht. Also will ich es Ihnen verraten. Im Rang eines Captains leitete Binh das Sittendezernat der Polizei.«
Darüber dachte Bosch einen Augenblick nach und sagte: »Okay, er war bestimmt genauso korrupt wie alles andere, was mit dem Krieg zu tun hatte.«
»Ich nehme an, da Sie im Landesinneren waren, wissen Sie nicht viel darüber, wie es in Saigon lief«, sagte Ernst.
»Warum erzählen Sie uns nicht davon? Hört sich an, als wäre es Ihr Job gewesen. Mein Job war es, am Leben zu bleiben.«
Ernst ignorierte den Seitenhieb. Er zog es von nun an vor, Bosch insgesamt zu ignorieren. Er sah nur noch Eleanor an.
»Es funktionierte eigentlich ganz einfach«, sagte er. »Hatte man mit Drogen, Prostitution, Glücksspiel, irgendwie mit dem Schwarzmarkt zu tun, mußte man eine
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