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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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in sein eigenes Gerät, setzte Kopfhörer auf und spulte zum Anfang. Er hörte die Aufnahme ab, suchte, ob er seine Stimme, Sharkeys oder Eleanors erkannte, und spulte dann gut zehn Sekunden vor. Diesen Vorgang wiederholte er mehrere Minuten lang, bis er Sharkeys Vernehmung auf der zweiten Hälfte des Bands fand.
    Als er es hatte, spulte er ein Stück zurück, damit er die Befragung von vorn hören konnte. Er spulte zu weit und lauschte eine halbe Minute lang dem Schluß einer anderen Vernehmung. Dann erkannte er Sharkeys Stimme.
    »Was gucken Sie so?«
    »Ich weiß nicht.« Es war Eleanor. »Ich frage mich, ob Sie mich kennen. Sie kommen mir bekannt vor. Ich hab’ gar nicht gemerkt, daß ich Sie anstarre.«
    »Was? Wieso sollte ich Sie kennen? Ich hab’ nie Scheiße gebaut, die gegen Bundesgesetze verstößt, Mann. Ich weiß nicht …«
    »Egal, Sie kamen mir bekannt vor, mehr nicht. Ich hatte überlegt, ob Sie mich kennen. Warten wir auf Detective Bosch.«
    »Ja, okay. Cool.«
    Dann folgte Schweigen auf dem Band. Bosch war ganz verwirrt. Dann merkte er, daß das, was er gerade gehört hatte, gesagt worden war, bevor er in das Vernehmungszimmer kam.
    Was hatte sie vorgehabt? Das Schweigen auf dem Band endete, und Bosch hörte seine eigene Stimme.
    »Sharkey, wir werden dieses Gespräch aufzeichnen, weil es uns später vielleicht helfen könnte, es besser nachzuvollziehen. Wie gesagt: Du stehst nicht unter Mordverdacht, also brauchst du …«
    Bosch hielt das Band an und spulte zu der Stelle mit dem Jungen und Eleanor zurück. Er hörte sie sich noch mal an, und noch mal. Jedesmal kam es ihm vor, als schlüge ihm eine Faust ins Herz. Seine Hände schwitzten, und die Finger rutschten vom Recorder ab. Schließlich nahm er die Kopfhörer und warf sie auf den Tisch.
    »Verdammt«, sagte er.
    Pederson hörte auf zu tippen und sah herüber.

NEUNTER TEIL
Montag, 28. Mai Memorial Day
    Als Bosch zum Veteranenfriedhof kam, war es kurz nach Mitternacht.
    Er hatte sich einen neuen Wagen von der Fahrbereitschaft an der Wilcox geholt und war dann an Eleanors Wohnung vorbeigefahren. Es brannte kein Licht, und er kam sich vor wie ein Teenager, der einer Freundin nachspionierte, die ihn verlassen hatte. Obwohl ihn keiner sehen konnte, war es ihm peinlich. Er wußte nicht, was er getan hätte, wäre ihr Fenster hell erleuchtet gewesen. Er fuhr wieder Richtung Osten zum Friedhof, dachte an Eleanor und daß sie ihn in der Liebe und im Beruf hintergangen hatte, alles zur gleichen Zeit.
    Seine Vermutung war, daß Eleanor Sharkey gefragt hatte, ob er sie kannte, weil sie in dem Jeep gewesen war, mit dem man Meadows’ Leiche zum Reservoir transportiert hatte. Sie hatte herausfinden wollen, ob der Junge es wußte und sie erkannte. Aber das tat er nicht. Nachdem Bosch dazu gekommen war, sagte Sharkey weiter, er hätte zwei Leute gesehen, die er für Männer hielt. Er sagte, der kleinere von beiden wäre auf dem Beifahrersitz geblieben und hätte nicht mitgeholfen. Dieser Irrtum hätte eigentlich Sharkeys Leben retten können. Aber Bosch wußte, daß er selbst Sharkey zum Verhängnis geworden war, als er vorschlug, ihn zu hypnotisieren. Dies hatte Eleanor an Rourke weitergeleitet, der wußte, daß er dieses Risiko nicht eingehen durfte.
    Die nächste Frage war: Wozu? Geld war die Antwort auf alle Fragen, aber dieses Motiv kam in Bezug auf Eleanor nicht in Frage. Da mußte noch etwas sein. Zwischen allen anderen – Meadows, Franklin, Delgado, Rourke – bestand sowohl die Verbindung Vietnam als auch die direkte Bekanntschaft mit Binh und Tran. Wie paßte Eleanor dazu? Bosch dachte an ihren Bruder, gefallen in Vietnam. War er die Verbindung? Er erinnerte sich daran, daß sie gesagt hatte, sein Name sei Michael gewesen, aber sie hatte nicht erwähnt, wie oder wann er umgekommen war. Bosch hatte sie nicht gelassen. Jetzt bereute er, sie unterbrochen zu haben, als sie offensichtlich von ihm erzählen wollte. Sie hatte das Ehrenmal in Washington erwähnt, und wie es sie verändert hatte. Was mochte sie gesehen haben? Was hatte diese Veränderung hervorgerufen? Was mochte die Mauer ihr gezeigt haben, was sie nicht längst wußte?
    Er bog beim Friedhof am Sepulveda Boulevard ab und fuhr auf die großen, schwarzen Eisentore am Ende des Kieswegs zu. Bosch stieg aus und ging hinauf, aber sie waren mit einer Kette und einem Vorhängeschloß versperrt. Er spähte durch die schwarzen Stäbe und sah ein kleines Steinhaus etwa dreißig Meter entfernt. Er

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