Schwarzes Echo
TUNNELRAUB
GAUNER HATTEN LANGES W OCHENENDE ZEIT ZUM GRABEN
Der Artikel basierte auf der ersten Geschichte, ergänzt um das Detail, daß die Eindringlinge einen Tunnel in die Bank gegraben hatten, etwa hundertfünfzig Meter weit von einem Hochwassertunnel, der unter der Hill Street verlief. In dem Artikel stand, man habe den letzten Durchbruch im Boden des Tresorraums mit Sprengstoff vorgenommen. Nach Angaben des FBI hatten sich die Einbrecher den größten Teil des Wochenendes im Tresor aufgehalten und die einzelnen Schließfächer aufgebohrt. Es wurde angenommen, daß der Tunnel vom Hochwasserkanal zum Tresor in etwa sieben bis acht Wochen vor dem Raub gegraben worden war.
Bosch machte sich eine Notiz, daß er beim FBI fragen wollte, wie der Tunnel gegraben worden war. Falls man schwere Gerätschaften eingesetzt hatte, hätte die Alarmanlage, die sicher wie in den meisten Banken sowohl Geräusche als auch Vibrationen registrierte, die Erschütterungen wahrnehmen und den Alarm auslösen müssen. Außerdem fragte er sich, wieso der Sprengsatz nicht Alarm geschlagen hatte.
Dann sah er sich den dritten Artikel an, der einen Tag nach dem zweiten veröffentlicht worden war. Er war nicht von Bremmer verfaßt worden, obwohl auch er im Lokalteil stand. Es war ein Bericht über die Leute, die zu Dutzenden vor der Bank Schlange standen, um nachzusehen, ob ihre Schließfächer unter denen waren, die man aufgebrochen und ausgeraubt hatte. Das FBI begleitete sie in den Tresorraum und nahm ihre Aussagen auf. Bosch überflog die Geschichte, sah aber immer wieder dasselbe: Leute, die wütend oder verzweifelt oder beides waren, da sie Dinge verloren hatten, die im Tresor gelandet waren, weil sie glaubten, hier wären sie sicherer als zu Hause. Gegen Ende der Geschichte wurde Harriet Beecham erwähnt. Man hatte sie interviewt, als sie aus der Bank kam, und sie hatte dem Reporter erklärt, sie habe ihre gesamte Schmucksammlung verloren, die sie auf Weltreisen mit ihrem verstorbenen Mann Harry zusammengetragen hatte. In dem Artikel stand, die Beecham habe ihre Augen mit einem Spitzentaschentuch getupft.
»Ich habe die Ringe verloren, die er mir in Frankreich gekauft hat, ein Goldarmband mit Jadebesatz aus Mexiko«, sagte die Beecham. »Wer auch immer das getan hat, er hat mir meine Erinnerungen genommen.«
Höchst melodramatisch. Bosch fragte sich, ob sich der Reporter das letzte Zitat ausgedacht hatte.
Die vierte Geschichte im Ordner war eine Woche später erschienen. Sie stammte von Bremmer, war kurz und auf den letzten Seiten des Lokalteils versteckt, noch hinter den Nachrichten aus dem Valley. Bremmer berichtete, daß die Untersuchung der WestLand-Sache ausschließlich vom FBI geführt wurde. Das LAPD hatte anfangs geholfen, aber als die Spuren undeutlicher wurden, hatte man den Fall in die Hände der Bundesbehörden gelegt. Erneut wurde Special Agent Rourke zitiert. Er sagte, nach wie vor seien Agenten rund um die Uhr mit dem Fall beschäftigt, jedoch habe man bisher weder Fortschritte gemacht, noch ließe sich ein konkreter Verdacht äußern. Von den gestohlenen Gegenständen aus dem Tresor sei noch nichts wieder aufgetaucht.
Bosch schloß den Ordner. Der Fall war zu groß, als daß das FBI ihn wie einen Banküberfall abschütteln konnte. Er fragte sich, ob Rourke die Wahrheit gesagt hatte, was das Fehlen konkreter Verdächtiger anging. Er fragte sich, ob Meadows’ Name jemals aufgetaucht war. Vor zwei Jahrzehnten hatte Meadows in den Tunneln unter den Dörfern von Südvietnam gekämpft und manchmal auch dort gelebt. Wie alle Tunnelkämpfer verstand er etwas von Abbrucharbeiten. Aber das betraf die Zerstörung von Tunneln. Implosionen. Konnte er gelernt haben, wie man den Stahlbetonboden eines Banktresors sprengte? Dann wurde Bosch klar, daß Meadows nicht unbedingt gewußt haben mußte, wie man so etwas machte. Er war sicher, daß für das Ding in der WestLand Bank mehr als eine Person nötig gewesen war.
Er stand auf und holte sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank. Bevor er aber zu seinem Sessel zurückkehrte, machte er einen Umweg ins Schlafzimmer, wo er ein altes Fotoalbum aus der untersten Schublade der Kommode holte. Als er wieder in seinem Sessel saß, trank er das Bier halb aus und schlug dann das Buch auf. Haufenweise Fotos lagen lose zwischen den Seiten. Er hatte sie schon längst einkleben wollen, war nur noch nicht dazu gekommen. Er schlug das Buch kaum jemals auf. Die Seiten waren vergilbt und an den
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