Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
dem Röntgenbild keine zu erkennen, aber das werde ich mir gleich mal ansehen.«
    Er trat an die Leiche und machte mit dem Skalpell einen T-förmigen Schnitt in die Haut an der Oberseite des Gelenks. Dann zog er die Haut zurück, bohrte mit dem Skalpell im rosigen Fleisch herum und sagte: »Nein … nein … nichts. Das war nachträglich, Harry. Meinst du, es könnte einer von meinen Leuten gewesen sein?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Bosch. »Sieht nicht so aus. Sakai hat gesagt, er und sein Helfer wären vorsichtig gewesen. Ich bin mir sicher, daß ich es nicht gewesen sein kann. Wie kommt es, daß die Haut nicht beschädigt wurde?«
    »Das ist eine interessante Frage. Ich weiß es nicht. Irgendwie wurde der Finger gebrochen, ohne daß äußerlicher Schaden entstand. Darauf habe ich keine Antwort. Aber es dürfte nicht allzu schwierig gewesen sein. Einfach den Finger festhalten und nach unten reißen. Vorausgesetzt, man bringt es über sich. So etwa.«
    Salazar ging um den Tisch. Er hob Meadows’ rechte Hand und riß den Finger nach hinten. Ihm fehlte die Hebelkraft, und er konnte das Gelenk nicht brechen.
    »Schwieriger als ich dachte«, sagte er. »Vielleicht hat jemand mit einem stumpfen Gegenstand auf den Finger geschlagen. Mit einem Ding, das die Haut nicht beschädigt.«
    Als Sakai eine Viertelstunde später mit den Proben hereinkam, war die Autopsie beendet und Salazar nähte Meadows’ Brustkorb mit einer dicken, gewachsten Schnur zu. Dann nahm er einen von der Decke hängenden Schlauch, spritzte die Leiche ab und befeuchtete das Haar. Sakai band die Arme und Beine mit einem Seil zusammen, um zu verhindern, daß sie sich in den verschiedenen Stadien der Leichenstarre bewegten. Bosch sah, daß das Seil in die Tätowierung an Meadows’ Arm schnitt, direkt am Hals der Ratte.
    Mit Daumen und Mittelfinger drückte Salazar Meadows’ Augen zu.
    »Bringen Sie ihn in die Box«, sagte er zu Sakai. Dann zu Bosch: »Sehen wir uns mal die Proben an. Es kam mir seltsam vor, weil das Loch größer war als bei einer normalen Nadel, und die Stelle an der Brust ist ziemlich ungewöhnlich.
    Der Einstich wurde zweifellos vor dem Tod vorgenommen, möglicherweise während des Todes … es gab nur eine leichte Blutung. Aber es hat sich kaum Schorf auf der Wunde gebildet. Das heißt also: kurz bevor oder während er gestorben ist. Möglicherweise die Todesursache, Harry.«
    Salazar brachte die Proben zu einem Mikroskop, das auf dem Tresen im hinteren Teil des Raumes stand. Er suchte eine der Proben aus und legte sie auf die Sichtscheibe. Er beugte sich darüber, und nach einer halben Minute sagte er: »Interessant.«
    Dann sah er sich kurz die anderen Proben an. Als er fertig war, legte er die erste Probe wieder auf die Sichtscheibe.
    »Okay, ich habe dort, wo der Einstich war, aus der Brust ein quadratisches Stück von zweieinhalb Zentimetern entnommen. Ich bin mit dem Schnitt etwa vier Zentimeter in die Brust eingedrungen. Diese Probe ist ein vertikales Präparat der Probe und zeigt den Verlauf des Einstichs. Kannst du mir folgen?«
    Bosch nickte.
    »Gut. Das ist in etwa so, als würde man einen Apfel aufschneiden, um den Gang eines Wurmes freizulegen. Die Probe zeigt den Verlauf der Perforation, jeden direkten Schlag und jede Verletzung. Sieh es dir an.«
    Bosch beugte sich über das Okular des Mikroskops. Die Probe zeigte eine gerade, etwa zweieinhalb Zentimeter tiefe Perforation durch die Haut und in den Muskel, die sich am Ende wie ein Nagel verjüngte. Der rosige Muskel färbte sich am unteren Ende der Penetration dunkelbraun.
    »Was bedeutet das?« fragte er.
    »Es bedeutet«, sagte Salazar, »daß der Einstich durch die Haut ging, durch die Faszie – das ist die sehnenartige Muskelhaut – und dann direkt in den pektoralen Muskel. Ist dir die dunkler werdende Färbung des Muskels um die Penetration herum aufgefallen?«
    »Ja, ist sie.«
    »Harry, das kommt, weil der Muskel dort verbrannt ist.«
    Bosch wandte sich vom Mikroskop ab und sah Salazar an. Unter der Atemmaske des Pathologen schien sich ein schmales Lächeln abzuzeichnen.
    »Verbrannt?«
    »Ein Elektroschocker«, sagte der Pathologe. »Einer, der seinen Elektrodenpfeil tief ins Hautgewebe dringen läßt. Etwa drei bis vier Zentimeter. Wenn es in diesem Fall auch wahrscheinlicher sein dürfte, daß die Elektrode manuell tiefer in den Brustkorb gepreßt wurde.«
    Bosch überlegte einen Augenblick. Es wäre praktisch unmöglich, einen bestimmten Elektroschocker

Weitere Kostenlose Bücher