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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Man hat ihn in einer Röhre gefunden, einem Tunnel. Er hatte einen Gegenstand aus Ihrem Raub in seinem Besitz.« Bosch suchte in seinen Taschen nach Zigaretten, dann fiel ihm ein, daß sie nein gesagt hatte. »Wir müssen in dieser Sache zusammenarbeiten. Ab sofort.«
    Er sah ihrem Gesicht an, daß es nicht funktioniert hatte. Er leerte seinen Kaffeebecher, bereit aufzustehen. Er sah Wish nicht mehr an. Er hörte, wie der graue Anzug den Hörer wieder abnahm und eine Nummer eintippte. Er starrte die Zuckerreste am Boden des Bechers an. Er konnte Zucker im Kaffee nicht ausstehen.
    »Detective Bosch«, begann Wish. »Es tut mir leid, daß Sie heute morgen so lange auf dem Gang warten mußten. Es tut mir leid, daß dieser Kamerad von Ihnen, Meadows, tot ist. Ob es nun zwanzig Jahre her ist oder nicht, es tut mir leid. Ich habe Mitgefühl für ihn, für Sie und das, was Sie vielleicht durchmachen mußten … Aber es tut mir auch leid, daß ich Ihnen im Augenblick nicht helfen kann. Ich muß mich an die Regeln halten und mit meinem Supervisor sprechen. Ich werde mich bei Ihnen melden. So bald wie möglich. Das ist alles, was ich im Augenblick tun kann.«
    Bosch warf den Becher in einen Papierkorb neben ihrem Schreibtisch und streckte eine Hand aus, um das Polaroid und die Seite aus dem Bulletin an sich zu nehmen.
    »Können wir das Foto hier behalten?« fragte Agent Wish. »Ich muß es meinem Supervisor zeigen.«
    Bosch behielt das Polaroid. Er stand auf und baute sich vor dem Schreibtisch des grauen Anzugs auf. Er hielt dem Mann das Polaroid vors Gesicht. »Er hat es schon gesehen«, sagte er über seine Schulter hinweg, als er das Büro verließ.

    Deputy Chief Irvin Irving saß an seinem Schreibtisch, knirschte mit den Zähnen und spannte seine Kiefermuskeln zu harten Gummibällen. Er war verstört. Er hatte die Angewohnheit, die Zähne zu fletschen oder mit ihnen zu knirschen, wenn er gestört wurde oder seinen Gedanken nachhing. Als Folge davon waren die Unterkiefermuskeln das hervorstechendste Merkmal seiner Gesichtszüge geworden. Wenn man ihn von vorn sah, war Irvings Unterkiefer tatsächlich breiter als seine Ohren, die flach und flügelförmig am rasierten Schädel klebten. Die Ohren und der Unterkiefer gaben Irving ein einschüchterndes, wenn nicht gar absonderliches Äußeres. Er sah aus wie ein fliegender Unterkiefer, dessen mächtige Backenzähne Glasmurmeln zerbeißen konnten. Und Irving tat alles, um das Image eines furchterregenden Kettenhundes aufrechtzuerhalten, der seine Zähne in eine Schulter oder ein Bein graben und ein Stück Fleisch von der Größe eines Softballs herausreißen konnte. Es war ein Image, das ihm geholfen hatte, mit seinem einzigen Handikap als Polizist in Los Angeles – seinem albernen Namen – fertig zu werden. Bei seinem seit langem geplanten Aufstieg zum Chefbüro im sechsten Stock würde es sicher auch eine Hilfe sein. Also pflegte er dieses Image, selbst wenn es ihn alle achtzehn Monate 2000 Dollar für einen neuen Satz Backenzähne kostete.
    Irving zog seine Krawatte am Hals fester und fuhr sich mit der Hand über den blanken Schädel. Er drückte auf den Summer der Gegensprechanlage. Wenn er auch ohne weiteres den Lautsprecherknopf hätte drücken und seinen Befehl herausbellen können, wartete er doch erst die Antwort seiner neuen Adjutantin ab. Das war noch so eine Angewohnheit.
    »Ja, Chief?«
    Er liebte es, das zu hören. Er lächelte, dann beugte er sich vor, bis sein großer, breiter Unterkiefer nur Zentimeter von der Sprechanlage entfernt war. Er war ein Mann, der nicht auf die Technik vertraute. Er mußte seinen Mund immer nah an das Mikro halten und schreien.
    »Mary, holen Sie mir den Umschlag über Bosch. Er müßte bei den Aktiven sein.«
    Er buchstabierte ihr den Vor- und den Nachnamen.
    »Sofort, Chief.«
    Irving lehnte sich zurück, grinste durch zusammengebissene Zähne hindurch, meinte dann aber, etwas Störendes zu bemerken. Routiniert fuhr er mit der Zunge über seinen linken unteren Backenzahn, suchte nach einem Fehler an der glatten Oberfläche, einem feinen Riß vielleicht. Nichts. Er öffnete die Schreibtischschublade und nahm einen kleinen Spiegel heraus. Er machte den Mund auf und inspizierte die hinteren Zähne. Er legte den Spiegel zurück, nahm einen hellblauen Notizblock und vermerkte, daß er wegen einer zahnärztlichen Untersuchung telefonieren wollte. Er schloß die Schublade und dachte daran, wie er sich einmal einen Glückskeks in den Mund

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