Schwarzes Echo
legen ihn um, dann gehen sie in die Pfandleihe und klauen es zurück. Wie auch immer. Wir suchen dieselben Leute. Und ich brauche eine Richtung, in die ich gehen kann.«
Sie schwieg weiter, aber Bosch spürte, daß eine Entscheidung bevorstand. Diesmal wartete er ab.
»Erzählen Sie mir von ihm«, sagte sie schließlich.
Er erzählte. Von dem anonymen Anruf. Von der Leiche. Von der Wohnung, die durchsucht worden war. Wie er den Pfandschein hinter dem Foto gefunden hatte und dann in die Pfandleihe gegangen war, aus der man das Armband gerade gestohlen hatte. Er sagte nicht, daß er Meadows gekannt hatte.
»Wurde noch irgendwas aus der Pfandleihe gestohlen oder nur dieses Armband?« fragte sie, als er fertig war.
»Natürlich. Ja. Aber das war nur Tarnung für das, was sie eigentlich wollten. Das Armband. So seh’ ich das. Meadows wurde ermordet, weil seine Mörder das Armband wollten. Er wurde gefoltert, bevor man ihn umbrachte, weil sie wissen wollten, wo es war. Sie haben gekriegt, was sie wollten, ihn umgelegt, dann sind sie losgegangen und haben das Armband geholt. Stört es Sie, wenn ich rauche?«
»Ja, das tut es. Was sollte so wichtig an diesem Armband sein? Dieses Armband ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, bei all dem, was gestohlen wurde und nie wieder aufgetaucht ist.«
Daran hatte Bosch auch schon gedacht und wußte keine Antwort. Er sagte: »Ich weiß es nicht.«
»Wenn er gefoltert wurde, wie Sie sagen, wieso war dann der Pfandschein noch da? Und warum mußten sie in die Pfandleihe einbrechen? Sie meinen, er hätte ihnen gesagt, wo das Armband ist, den Pfandschein aber nicht preisgegeben?«
Auch daran hatte Bosch gedacht. Er sagte: »Ich weiß es nicht. Vielleicht wußte er, daß sie ihn nicht am Leben lassen würden. Also hat er ihnen die Hälfte von dem gesagt, was sie wissen wollten. Er hat etwas zurückgehalten. Es war ein Hinweis. Er hat den Pfandschein als Hinweis zurückgelassen.«
Bosch dachte über die Situation nach. Beim Lesen seiner Notizen und dem Abtippen der Berichte hatte er das zum ersten Mal getan. Er kam zu dem Schluß, daß es Zeit wurde, seine Karten auf den Tisch zu legen.
»Ich habe Meadows vor zwanzig Jahren gekannt.«
»Sie kannten das Tatopfer, Detective Bosch?« Ihre Stimme wurde lauter, vorwurfsvoll. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, als Sie reinkamen? Seit wann erlaubt das LAPD seinen Detectives, den Tod von Freunden zu untersuchen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, ich habe ihn gekannt. Vor zwanzig Jahren. Und ich habe um diesen Fall nicht gebeten. Ich war einfach an der Reihe. Ich wurde rausgerufen. Es war …«
Er wollte nicht sagen, daß es Zufall war.
»Das ist alles sehr interessant«, sagte Wish. »Außerdem ist es gegen die Vorschrift. Wir … ich bin nicht sicher, ob wir Ihnen helfen können. Ich glaube …«
»Hören Sie, als ich ihn kannte, war ich in der US-Army. Erste Infantriedivision in Vietnam. Okay? Wir waren beide da. Er war etwas, das man damals Tunnelratte nannte. Wissen Sie, was das bedeutet? … Ich war auch eine.«
Wish sagte nichts. Wieder sah sie sich das Armband an. Bosch hatte den grauen Anzug schon ganz vergessen.
»Die Vietnamesen hatten Tunnel unter ihren Dörfern«, sagte Bosch. »Manche davon waren hundert Jahre alt. Die Tunnel reichten von Hütte zu Hütte, von Dorf zu Dorf, von Dschungel zu Dschungel. Sie waren unter unseren eigenen Camps, überall. Und das war unser Job: Tunnelsoldaten, die in diese Dinger runter mußten. Unter der Erde fand ein ganz eigener Krieg statt.«
Bosch merkte, daß er außer einem Psychologen und der Gesprächsgruppe der Veteranen in Sepulveda noch nie jemandem von den Tunneln und dem, was dort passiert war, erzählt hatte.
»Und Meadows, er konnte das gut. Wenn überhaupt jemand es ›mög en‹ konnte, nur mit einer Taschenlampe und einer .45er bewaffnet in so ein schwarzes Loch zu steigen , dann er. Manchmal sind wir runtergegangen, und es hat Stunden gedauert, manchmal sogar Tage. Und Meadows, na ja, er war der einzige, den ich kannte, der nie Angst hatte runterzugehen. Es war eher das Leben über der Erde, das ihm angst machte.«
Sie sagte kein Wort. Bosch sah zu dem grauen Anzug hinüber, der etwas auf einen gelben Block schrieb, was Bosch nicht lesen konnte. Bosch hörte, wie jemand im Polizeifunk meldete, daß er zwei Gefangene zum Metro-Gefängnis brachte.
»Und zwanzig Jahre später haben Sie jetzt einen Tunnelraub, und ich habe einen toten Tunnelkämpfer.
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