Schwarzes Echo
Miesmacher. Er war ein paar Jahre älter als Bosch. Sie waren gleich groß, aber Rourke war schwerer. Der traditionellen Uniform aus blauem Blazer und hellblauem Hemd hatte er eine knallrote Krawatte hinzugefügt.
»Hören Sie, Detective, Sie müssen mich nicht mögen, das ist in Ordnung«, sagte Rourke. »Aber, bitte, arbeiten Sie mit mir daran. Wir wollen doch dasselbe.«
Für den Moment gab Bosch nach.
»Was soll ich für Sie tun? Erklären Sie es mir genau. Soll ich nur mitlaufen, oder wollen Sie wirklich meine Arbeit?«
»Bosch, angeblich sind Sie ein erstklassiger Detective. Zeigen Sie es uns. Gehen Sie Ihrem Fall nach. Wie Sie gestern gesagt haben: Sie finden den, der Meadows ermordet hat, und wir finden die Leute, die die WestLand ausgenommen haben. Also: Ja, wir wollen, daß Sie so gut arbeiten wie möglich. Machen Sie so weiter, wie Sie es normalerweise tun würden, nur jetzt mit Special Agent Wish als Ihrer Partnerin.«
Rourke drehte sich um und verließ den Einsatzraum. Er mußte wohl irgendwo auf einem stillen Flur sein eigenes Büro haben. Bosch drehte sich zu Wishs Schreibtisch um und nahm den Stapel Akten. Er sagte: »Okay, gehen wir.«
Wish besorgte einen Dienstwagen, und Bosch ging den Stapel Militärakten durch. Er sah, daß seine eigene obenauf lag. Er warf noch einen Blick auf einige andere, kannte davon aber nur Meadows.
»Wohin?« fragte Wish, als sie aus der Garage fuhr und die Veteran Avenue hinauf zum Wilshire nahm.
»Hollywood«, sagte er. »Ist Rourke immer so steif?«
Sie bog nach Osten ab und lächelte so seltsam, daß Bosch sich fragte, ob zwischen ihr und Rourke etwas wäre.
»Wenn er will«, sagte sie. »Aber er ist ein guter Administrator. Er hat die Truppe im Griff. Ich schätze, er war schon immer eine Führungspersönlichkeit. Ich meine, er hätte mal erzählt, er wäre für eine ganze Einheit oder so was verantwortlich gewesen, als er bei der Armee war. Drüben in Saigon.«
Nie im Leben war zwischen den beiden etwas, dachte er. Man verteidigt seinen Liebhaber nicht, indem man ihn als guten »Administrator« bezeichnet. Da war nichts.
»Wenn er verwalten will, hat er den falschen Job«, sagte Bosch. »Fahren Sie den Hollywood Boulevard rauf, in die Gegend südlich vom Chinese Theater.«
Es würde eine Viertelstunde dauern, dorthin zu kommen. Er schlug die oberste Akte auf- es war seine eigene – und fing an, die Papiere durchzusehen. Zwischen einigen psychiatrischen Gutachten fand er eine Schwarzweißaufnahme – fast wie ein Verbrecherfoto – von einem jungen Mann in Uniform, das Gesicht unbeleckt von Alter oder Erfahrung.
»Sie sahen gut aus mit dem Bürstenschnitt«, sagte Wish und unterbrach seine Gedanken. »Hat mich an meinen Bruder erinnert, als ich es gesehen habe.«
Bosch sah sie an, sagte aber nichts. Er legte das Foto zurück und machte sich wieder daran, die Dokumente in der Akte durchzustöbern, las Bruchstücke von Informationen über einen Fremden, der er selbst war.
Wish sagte: »Neun Männer mit Tunnelerfahrungen aus Vietnam und einem Wohnsitz in Südkalifornien haben wir gefunden. Wir haben sie alle gecheckt. Meadows war der einzige, den wir tatsächlich als verdächtig eingestuft haben. Er war ein Fixer, besaß ein Strafregister. Außerdem hat er sogar noch in Tunneln gearbeitet, nachdem er aus dem Krieg heimgekehrt war.« Ein paar Minuten lang fuhren sie schweigend, während Bosch las. Dann sagte sie. »Wir haben ihn einen ganzen Monat lang observiert. Nach dem Raub.«
»Was hat er gemacht?«
»Nichts Auffälliges. Vielleicht hat er etwas gedealt. Wir waren nie sicher. Alle drei Tage hat er sich Heroin gekauft. Aber es sah aus, als wäre es für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Sollte er gedealt haben, so waren jedenfalls keine Kunden festzustellen. Kein Besuch den ganzen Monat über. Verdammt, wenn wir hätten beweisen können, daß er ein Dealer war, hätten wir ihn hochgenommen und ihn dann wegen der Banksache in die Zange genommen.«
Wieder schwieg sie einen Moment lang, sagte dann in einem Ton, mit dem sie wohl eher sich selbst als Bosch überzeugen wollte: »Er hat nichts verkauft.«
»Ich glaube Ihnen«, sagte er.
»Erzählen Sie mir, wonach wir in Hollywood suchen?«
»Wir suchen einen möglichen Zeugen. Wie hat Meadows in dem Monat, in dem Sie ihn observiert haben, gelebt? Ich meine, was seine Finanzen angeht. Woher hatte er das Geld, runter nach Venice zu fahren?«
»Soweit wir sehen konnten, hat er Sozialhilfe bezogen
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