Schwarzes Echo
Straßenrand parkte, so daß er vom Hotel aus nicht zu sehen war. Er schien den Eingang zum Chateau durch die Scheiben des verbeulten, alten Busses zu beobachten. Die beiden Männer vom IAD, die einen halben Block weit hinter ihm in einem geparkten Wagen saßen, bemerkte er nicht.
»Komm schon, Junge, zieh ab«, sagte Clarke. »Ich möchte dir keine Streife auf den Hals hetzen. Scheißkrimineller.«
»Nimm die Nikon, und mach ein Foto von ihm«, sagte Lewis. »Man weiß nie. Vielleicht passiert irgendwas, und wir können es brauchen. Und wenn du schon dabei bist, schreib die Nummer vom Motel auf. Wir müssen später anrufen und sehen, was Bosch und das FBI-Mädchen da drinnen gemacht haben.«
Lewis hätte ohne weiteres die Kamera selbst vom Sitz nehmen und Fotos machen können, aber das wäre ein gefährlicher Präzedenzfall gewesen, der das empfindliche Gleichgewicht der Observationsvorschriften zerstört hätte. Der Fahrer fährt. Der Beifahrer schreibt – und erledigt alle artverwandten Tätigkeiten.
Gehorsam nahm Clarke die Kamera mit dem Teleobjektiv und machte Bilder von dem Jungen auf dem Motorrad.
»Mach eins mit dem Nummernschild«, sagte Lewis.
»Ich weiß schon, was ich tu«, sagte Clarke, als er die Kamera sinken ließ.
»Hast du die Nummer vom Motel? Wir müssen da anrufen.«
»Hab’ ich. Ich schreib’ sie auf. Siehst du? Wozu die Aufregung? Bestimmt legt Bosch die Braut gerade flach. Die hübsche FBI-Braut. Wenn wir da anrufen, finden wir bestimmt nur raus, daß er ein Zimmer gemietet hat.«
Lewis paßte auf, daß Clarke die Nummer im Observationsbericht eintrug.
»Vielleicht auch nicht«, sagte Lewis. »Sie haben sich gerade erst kennengelernt, und außerdem möchte ich bezweifeln, daß er so blöd ist. Die sind da drinnen, weil sie jemanden suchen. Einen Zeugen zum Beispiel.«
»Aber in der Mordakte stand nichts von einem Zeugen.«
»Er hat es für sich behalten. So ist Bosch. So arbeitet er.«
Clarke sagte nichts dazu. Lewis sah wieder die Straße hinunter zum Chateau. Dann merkte er, daß der Junge weg war. Das Motorrad war nirgendwo zu sehen.
Bosch wartete einen Moment, damit Eleanor Wish genug Zeit blieb, hinter das Chateau zu gelangen und von dort aus die Schiebetür auf der Rückseite von Zimmer 7 im Auge zu behalten. Er beugte sich vor, hielt ein Ohr an die Tür und glaubte, ein Rascheln und gelegentlich ein Murmeln zu hören. Da war jemand im Zimmer. Er wartete einen Moment, dann klopfte er laut an die Tür. Er hörte, wie sich auf der anderen Seite etwas bewegte – hastige Schritte auf dem Teppich, aber niemand antwortete. Er klopfte noch einmal und wartete, dann hörte er die Stimme eines Mädchens.
»Wer ist da?«
»Polizei«, sagte Bosch. »Wir möchten mit Sharkey sprechen.«
»Der ist nicht da.«
»Dann möchten wir wohl mit Ihnen sprechen.«
»Ich weiß nicht, wo er ist.«
»Machen Sie bitte die Tür auf.«
Er hörte ein Gepolter, als wenn jemand gegen Möbel stieß. Aber keiner machte auf. Dann hörte er, wie etwas rollte: Eine Glastür wurde aufgeschoben. Er steckte den Schlüssel ins Schloß, und als er die Tür aufstieß, sah er gerade noch, wie ein Mann durch die Hintertür verschwand und von der Terrasse auf die Erde sprang. Es war nicht Sharkey. Von draußen hörte er, wie Wishs Stimme dem Mann befahl stehenzubleiben.
Bosch sah sich den Raum kurz an. Ein Flur mit einem Schrank links, einem Badezimmer rechts, beides leer bis auf ein paar Kleidungsstücke am Boden des Schranks. Zwei große Doppelbetten standen an gegenüberliegenden Wänden, eine Kommode mit einem Spiegel an einer weiteren Wand, ein gelblich brauner Teppich, abgewetzt auf den Trampelpfaden zum Badezimmer und um die Betten herum. Das Mädchen, blond, klein, vielleicht siebzehn Jahre alt, saß in ein Laken gewickelt auf der Kante eines der Betten. Bosch konnte die Umrisse einer Brustwarze sehen, die sich gegen das schmuddelige, ehemals weiße Tuch preßte. Das Zimmer roch nach billigem Parfum und Schweiß.
»Bosch, sind Sie okay da drinnen?« rief Wish von draußen. Er konnte sie nicht sehen, weil ein Laken als Gardine vor der Schiebetür hing.
»Okay. Und Sie?«
»Okay. Was haben wir da?«
Bosch trat an die Schiebetür und sah hinaus. Wish stand hinter jemandem, der seine Arme ausgestreckt und die Hände an die Wand des Motels gelegt hatte. Er war ungefähr dreißig, mit der bleichen Haut eines Mannes, der gerade einen Monat hinter Gittern verbracht hatte. Seine Hosen standen vorn
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