Schwarzes Echo
Badezimmer kam. Sie trug verwaschene Jeans, die an den Knien aufgerissen waren, darüber ein Top. Keine Schuhe. Bosch registrierte, daß ihre Zehennägel rot lackiert waren. Sie saß auf dem Bett, ohne ein Wort zu sagen.
»Wir müssen Sharkey finden«, sagte Bosch.
»Weswegen? Haben Sie eine Zigarette?«
Er holte sein Päckchen aus der Tasche und schüttelte eine für sie hervor. Er reichte ihr ein Streichholz, das sie selbst anriß.
»Weswegen?« sagte sie wieder.
»Wegen Samstag abend«, sagte Wish kurz angebunden. »Wir wollen ihn nicht verhaften. Wir wollen ihm keinen Ärger machen. Wir wollen ihm nur ein paar Fragen stellen.«
»Was ist mit mir?« sagte das Mädchen.
»Was soll mit dir sein?« sagte Wish.
»Wollen Sie mir Ärger machen?«
»Du meinst, ob wir dich dem Jugendamt überstellen, ja?« Bosch sah Wish an, wartete auf eine Reaktion. Es kam nichts. Er sagte: »Nein, wenn du uns hilfst, werden wir das Jugendamt nicht einschalten. Wie heißt du? Dein richtiger Name?«
»Bettijane Felker.«
»Also gut, Bettijane, du weißt nicht, wo Sharkey ist? Wir wollen nur mit ihm reden.«
»Ich weiß nur, daß er arbeitet.«
»Was meinst du? Wo?«
»Boytown. Wahrscheinlich kümmert er sich mit Arson und Mojo ums Geschäft.«
»Das sind die anderen aus der Clique?«
»Genau.«
»Was haben sie gesagt, wohin sie in Boytown wollten?«
»Sie sagen nie was. Ich glaub’, sie gehen einfach dahin, wo die Schwulen sind. Sie wissen schon.«
Entweder konnte das Mädchen nicht genauer sein, oder sie wollte nicht. Es war egal. Er kannte die Adressen von den Shake Cards her und wußte, daß Sharkey irgendwo auf dem Santa Monica Boulevard zu finden wäre.
»Danke«, sagte er zu dem Mädchen und ging zur Tür. Er war schon halb den Flur hinunter, als Wish aus dem Zimmer kam und ihm mit forschen, wütenden Schritten folgte. Bevor sie irgend etwas sagen konnte, blieb er am Münztelefon im Korridor neben dem Büro stehen. Er nahm ein kleines Telefonbuch, das er immer bei sich trug, suchte die Nummer vom Jugendamt und wählte. Zwei Minuten mußte er warten, bis er zu einem Anrufbeantworter durchgestellt wurde, auf dem er das Datum, die Zeit und den Aufenthaltsort der mutmaßlichen Ausreißerin Bettijane Felker hinterließ. Er hängte ein und fragte sich, wie viele Tage es wohl dauern würde, bis die Nachricht aufgenommen wurde, und wie viele Tage, bis sie bei Bettijane vor der Tür standen.
Sie fuhren längst auf dem Santa Monica Boulevard durch West Hollywood, und noch immer war sie sauer. Bosch hatte versucht, sich zu verteidigen, merkte aber, daß es keinen Sinn hatte. Also saß er schweigend da und hörte zu.
»Es ist eine Vertrauenssache, mehr nicht«, sagte Wish. »Es ist mir egal, wie lange oder wie kurz wir zusammen arbeiten. Wenn Sie ihre Tour mit der Ein-Mann-Armee nicht ablegen, wird es zwischen uns nie das Vertrauen geben, das wir brauchen, um Erfolg zu haben.«
Er starrte in den Spiegel auf der Beifahrerseite, der so eingestellt war, daß er den Wagen beobachten konnte, der ihnen seit dem Blue Chateau folgte. Inzwischen war er sicher, daß es Lewis und Clarke waren. Er hatte Lewis’ mächtigen Nacken und den Bürstenschnitt hinter dem Lenkrad erkannt, als der Wagen an einer Ampel bis auf drei Wagenlängen herangekommen war. Er sagte Wish nicht, daß sie verfolgt wurden. Und falls sie den Wagen bemerkt haben sollte, verlor sie darüber kein Wort. Sie war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Er saß da, beobachtete den Wagen im Rückspiegel und lauschte ihren Klagen darüber, wie falsch er doch alles machte.
Schließlich sagte er: »Meadows wurde am Sonntag gefunden. Heute ist Dienstag. Es ist nun mal bei Morden so, daß die Chance, die Wahrscheinlichkeit, ihn aufzuklären, mit jedem Blatt, das man vom Kalender reißt, geringer wird. Also, es tut mir leid. Ich dachte, daß es uns nicht helfen würde, einen Tag zu verschenken, indem wir ein Arschloch einbuchten, das wahrscheinlich von einer sechzehnjährigen Nutte kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag in ein Motelzimmer gelockt wurde. Außerdem dachte ich, daß es sich nicht lohnen würde, auf das Jugendamt zu warten, bis die rauskommen und das Mädchen abholen, denn ich würde meinen Gehaltsscheck verwetten, daß das Jugendamt das Mädchen längst kennt und weiß, wo es wohnt, für den Fall, daß sie es abholen wollen. Kurz gesagt, ich wollte weiterkommen und anderer Leute Angelegenheiten eben diesen Leuten überlassen und mich um meinen Job
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