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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Streichhölzer des Jungen aus seiner Tasche.
    »Gehen Sie rein und geben Sie ihm die. Ich will sehen, ob Nachrichten auf meinem Schreibtisch liegen, und ein Bandgerät vorbereiten.« Als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht beim Anblick der Zigaretten sah, fügte er hinzu: »Regel Nummer Eins bei Verhören: Geben Sie dem Verdächtigen das Gefühl der Geborgenheit. Geben Sie ihm die Zigaretten. Halten Sie die Luft an, wenn es Ihnen nicht gefällt.«
    Er wollte sich abwenden, aber sie sagte: »Bosch, was hat er mit den Fotos gemacht?«
    Das ist es also, was an ihr nagt, dachte er. »Hören Sie. Vor fünf Jahren wäre ein Junge wie er mit dem Mann gegangen und hätte wer weiß was gemacht. Heutzutage verkauft er ihm statt dessen ein Bild. Es gibt so viele Killer – Krankheitserreger und sonstwas – diese Kids sind schlau geworden. Es ist sicherer, seine Polaroids zu verkaufen als seine Haut.«
    Sie öffnete die Tür zum Vernehmungszimmer und ging hinein. Bosch durchquerte den Einsatzraum und sah auf seinem Schreibtisch nach, ob irgendwelche Zettel auf dem verchromten Dorn steckten. Sein Anwalt hatte endlich zurückgerufen. Ebenso Bremmer drüben von der Times, wenn auch unter einem Pseudonym, auf das sie sich früher mal geeinigt hatten. Bosch wollte verhindern, daß jemand, der auf seinem Schreibtisch herumschnüffelte, erfuhr, daß die Presse angerufen hatte.
    Bosch ließ die Zettel auf dem Dorn zurück, nahm seinen Ausweis, ging zum Vorratsschrank und knackte das Schloß. Er riß eine unbespielte Neunzig-Minuten-Kassette auf und legte sie in den Recorder auf dem untersten Bord des Schranks. Er schaltete die Maschine ein und vergewisserte sich, daß die Sicherungskopie lief. Dann ging er durch den Korridor zum Empfang und sagte dem dicken Pfadfinder, der dort saß, er solle eine Pizza ordern. Er gab dem Jungen einen Zehner und wies ihn an, sie zusammen mit drei Cokes in das Vernehmungszimmer zu bringen.
    »Was wollen Sie drauf haben?« fragte der Junge.
    »Was würdest du nehmen?«
    »Salami und Peperoni. Anchovis kann ich nicht ausstehen.«
    »Dann Anchovis.«
    Bosch ging zurück ins Büro. Wish und Sharkey schwiegen, als er in das kleine Vernehmungszimmer kam, und er hatte das Gefühl, als hätten sie bisher nicht viel gesagt. Wish fand keinen Draht zu dem Jungen. Sie saß rechts von Sharkey. Bosch nahm den Stuhl links neben ihm. Das einzige Fenster war ein kleines Quadrat aus Spiegelglas in der Tür. Man konnte hineinsehen, aber nicht hinaus. Bosch beschloß, dem Jungen gegenüber von vornherein offen und ehrlich zu sein. Er war noch ein Kind, aber wahrscheinlich schlauer als die meisten Männer, die vor ihm auf der Rutsche gesessen hatten. Wenn er ein Täuschungsmanöver witterte, würde er anfangen, auf Fragen einsilbig zu antworten.
    »Sharkey, wir werden dieses Gespräch aufzeichnen, weil es uns später vielleicht helfen könnte, es besser nachzuvollziehen«, sagte Bosch. »Wie gesagt: Du stehst nicht unter Verdacht, also brauchst du dir keine Sorgen zu machen, was du sagst, es sei denn, du sagst, daß du es getan hast.«
    »Sehen Sie, was ich meine?« protestierte der Junge. »Ich wußte, daß Sie damit anfangen und es auf Band bringen. Scheiße, ich bin schon mal in so einem Zimmer gewesen.«
    »Deswegen erzählen wir dir auch keine Scheiße. Also, nur eben für die Akten: Ich bin Harry Bosch, LAPD, das da ist Eleanor Wish, FBI, und du bist Edward Niese, alias Sharkey. Ich möchte anfangen mit …«
    »Was soll der Scheiß? War das der Präsident da in dem Rohr? Was soll das FBI hier?«
    »Sharkey!« sagte Bosch laut. »Ganz ruhig. Das ist nur ein Austauschprogramm. Wie damals in der Schule, als die Kinder aus Frankreich oder sonstwoher kamen. Stell dir vor, sie wäre aus Frankreich. Sie sitzt nur ein bißchen dabei und lernt von den Profis.« Er lächelte und blinzelte Wish zu. Sharkey sah sie an und lächelte ebenfalls ein wenig. »Erste Frage, Sharkey. Schaffen wir sie aus dem Weg, damit wir zu den interessanteren Fragen kommen. Hast du den Mann oben am Damm umgelegt?«
    »Scheiße, nein. Ich sehe …«
    »Moment mal, Moment mal«, ging Wish dazwischen. Sie sah Bosch an. »Können wir kurz nach draußen gehen?«
    Bosch stand auf und ging hinaus. Sie folgte ihm, und diesmal schloß sie die Tür hinter sich.
    »Was machen Sie?« sagte er.
    »Was machen Sie? Wollen Sie diesen Jungen über seine Rechte belehren, oder wollen Sie das Verhör von vornherein verderben?«
    »Was reden Sie da? Er hat es nicht getan.

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