Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Er steht nicht unter Verdacht. Ich stell’ ihm nur Fragen, weil ich versuche, ein Vernehmungsschema aufzubauen.«
    »Wir wissen nicht, ob er nicht doch der Mörder ist. Ich finde, wir sollten ihn über seine Rechte belehren.«
    »Belehren wir ihn über seine Rechte, wird er glauben, er ist als Verdächtiger, nicht als Zeuge hier. Wenn wir das tun, können wir genausogut da reingehen und mit der Wand reden. Er wird sich an nichts erinnern.«
    Ohne ein weiteres Wort ging sie in das Vernehmungszimmer zurück. Bosch folgte ihr und machte da weiter, wo er aufgehört hatte, ohne irgend etwas von irgendwelchen Rechten zu erwähnen.
    »Hast du den Mann in dem Rohr umgelegt, Sharkey?«
    »Niemals, Mann. Ich hab’ ihn gesehen, mehr nicht. Er wa r schon tot.«
    Der Junge sah nach rechts zu Wish, als er dies sagte. Dann schob er sich auf seinem Stuhl hoch.
    »Okay, Sharkey«, sagte Bosch. »Übrigens: Wie alt bist du, woher kommst du? Erzähl mir was von dir.«
    »Ich werd’ bald achtzehn, Mann, dann bin ich frei«, sagte der Junge und sah Bosch an. »Meine Mom wohnt oben in Chatsworth, aber ich will nicht mehr bei ihr … Mann, das steht doch alles längst in einem von Ihren kleinen Notizbüchern.«
    »Bist du schwul, Sharkey?«
    »Nie im Leben, Mann«, sagte der Junge und starrte Bosch durchdringend an. »Ich verkauf denen Bilder, ist ja nichts dabei. Aber ich bin nicht einer von denen.«
    »Machst du noch mehr als Bilder verkaufen? Nimmst du manchmal welche aus, wenn du kannst? Du lauerst ihnen auf, nimmst ihnen das Geld weg? Wer soll schon Anzeige erstatten? Hab’ ich recht?«
    Jetzt sah Sharkey wieder zu Wish hinüber und hob eine offene Hand. »Solche Scheiße mach’ ich nicht. Ich dachte, wir reden hier über den Toten.«
    »Tun wir auch, Sharkey«, sagte Bosch. »Ich will nur rausfinden, mit wem wir es zu tun haben, das ist alles. Fang von vorn an. Erzähl uns deine Geschichte. Ich hab’ Pizza bestellt, und da sind noch mehr Zigaretten. Wir haben Zeit«
    »Es wird nicht lange dauern. Ich hab nichts gesehen, nur den Toten da drinnen. Ich hoffe, die ist ohne Anchovis.«
    Er sagte es mit einem Blick auf Wish, während er sich aufsetzte. Ganz offensichtlich sah er Bosch an, wenn er die Wahrheit sagte, und Wish, wenn er sie verschleierte oder eine glatte Lüge erzählt. Gauner setzen immer auf die Frauen.
    »Sharkey«, sagte Bosch, »wenn du willst, können wir dich rauf nach Sylmar bringen und über Nacht festsetzen. Wir können morgen früh noch mal von vorn anfangen, wenn dein Gedächtnis vielleicht wieder etwas …«
    »Ich mach’ mir Gedanken um meine Maschine da unten. Könnte geklaut werden.«
    »Vergiß die Maschine«, sagte Bosch und lehnte sich ganz nah an ihn heran. »Wir wollen dich nicht verwöhnen. Sharkey, du hast uns noch nichts erzählt. Fang deine Geschichte an, dann überlegen wir uns was mit dem Motorrad.«
    »Okay, okay. Ich erzähl’ Ihnen alles.«
    Der Junge griff nach seinen Zigaretten auf dem Tisch, und Bosch lehnte sich zurück und nahm eine von seinen eigenen. Sich ganz nah heranbeugen und dann wieder zurücklehnen, war eine Technik, die Bosch in den endlosen Stunden in diesem Raum gelernt hatte. Lehn dich vor, dring in die fünfzig Zentimeter ein, die ihnen gehören, nimm ihnen den Bewegungsspielraum. Lehn dich zurück, wenn du kriegst, was du haben wolltest. Es geschieht unbewußt. Das meiste von dem, was bei einem Polizeiverhör vor sich geht, hat nichts mit dem zu tun, was gesagt wird. Es sind die Interpretationen, die Nuancen. Und manchmal das, was nicht gesagt wird. Sharkeys Zigarette zündete er zuerst an. Wish lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, als sie den blauen Dunst ausatmeten.
    »Möchten Sie rauchen, Agent Wish?« sagte Bosch.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Bosch sah Sharkey an, und sie tauschten einen wissenden Blick aus. Du und ich, Kumpel, sagte der Blick. Der Junge lächelte. Bosch nickte ihm zu, daß er mit seiner Geschichte anfangen sollte. Das tat er. Und was für eine Geschichte es war.

    »Ich fahr’ manchmal zum Pennen da rauf«, sagte Sharkey. »Wissen Sie? Wenn ich nicht weiß, woher ich Geld für ein Zimmer oder so was kriegen soll. Manchmal ist das Zimmer in dem Motel bei meiner Clique zu voll. Dann muß ich raus. Dann geh’ ich da rauf und schlaf in dem Rohr. Ist nachts fast immer warm da. Nicht schlecht. Also, egal, so ein Abend war das jedenfalls. Ich bin da raufgefahren …«
    »Wie spät war es?« fragte Wish.
    Bosch warf ihr einen Blick zu, der sagen sollte:

Weitere Kostenlose Bücher