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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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echter Toter, so wie der auf die Erde gefallen ist. Wie eine Leiche. Er hat Geräusche gemacht wie eine Leiche. Nicht wie im Fernsehen. Aber man erwartet irgendwas wie: ›Oh, nein, das ist eine Leiche, die der da eben rausgezerrt hat‹, oder irgendwas in der Art. Dann hat er den Toten ins Rohr geschleppt. Der andere Typ hat ihm nicht geholfen. Er ist im Jeep geblieben. Also dieser erste Mann, der hat es ganz allein gemacht.«
    Sharkey nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und drückte sie in dem Blechaschenbecher aus, der schon voller Kippen lag. Er atmete durch die Nase aus und sah Bosch an, der nur nickte, daß er weitererzählen sollte. Der Junge setzte sich auf.
    »Mmh, ich bin da geblieben, und eine Minute später ist der Typ wieder aus dem Rohr gekommen. Länger war das nicht. Er hat sich umgedreht, als er rauskam, hat mich aber nicht gesehen. Er ist zu einem Busch gegangen – fast da, wo ich mich versteckt hatte – und hat einen Zweig abgebrochen. Dann ist er wieder eine Zeitlang in dem Rohr verschwunden. Und ich konnte hören, wie er da drinnen fegt oder irgend so was mit dem Zweig macht. Dann ist er rausgekommen, und sie sind weggefahren. Oh, und – mh – er wollte zurücksetzen, und der Rückfahrscheinwerfer ging an. Er hat den Gang schnell wieder rausgenommen. Dann hab’ ich gehört, wie er irgendwas davon sagte, daß sie wegen dem Licht nicht rückwärts fahren konnten. Sie könnten gesehen werden. Also sind sie vorwärts gefahren, ohne Licht. Sie sind die Straße runtergefahren und über den Damm und auf die andere Seite des Sees. Als sie an dem kleinen Haus auf dem Damm vorbeikamen, haben sie die Glühbirne kaputtgeschlagen. Ich hab’ gesehen, wie sie ausging. Ich bin in meinem Versteck geblieben, bis der Motor nicht mehr zu hören war. Dann bin ich rausgekommen.«
    Sharkey unterbrach die Geschichte für einen Augenblick, und Wish sagte: »Entschuldigen Sie, können wir die Tür aufmachen und den Rauch rauslassen?«
    Bosch griff nach dem Knauf und zog die Tür nach innen, ohne aufzustehen oder seinen Ärger zu verbergen. »Red weiter, Sharkey«, war alles, was er sagte.
    »Als sie weg waren, bin ich rüber zu dem Rohr und hab’ reingerufen. Sie wissen schon, ›Hey, Sie da drinnen‹ und ›Sind Sie okay?‹, so Zeugs. Aber keiner hat geantwortet. Also hab’ ich meine Maschine so hingelegt, daß das Licht nach drinnen leuchten konnte, und bin ein Stück weit reingekrochen. Außerdem hab’ ich ein Streichholz angemacht, genau wie Sie gesagt haben. Und ich hab’ ihn da drinnen gesehen, und er sah tot aus und alles. Ich wollte auf Nummer Sicher gehen, aber es war zu gruselig. Ich bin wieder rausgekrochen. Ich bin den Hügel runter und hab’ die Bullen gerufen. Das war alles, das ist die ganze Geschichte.«
    Bosch dachte sich, daß der Junge den Toten hatte ausrauben wollen, es aber auf halbem Wege mit der Angst bekommen hatte. Aber das war in Ordnung so. Das konnte der Junge für sich behalten. Dann dachte er an den Zweig, der vom Busch abgeknickt worden war, und mit dem der Mann, den Sharkey gesehen hatte, die Fußabdrücke und Schleifspuren im Rohr verwischt hatte. Er fragte sich, wieso die Uniformierten bei der Untersuchung des Tatorts weder auf den abgebrochenen Zweig noch auf den gestutzten Busch gestoßen waren. Aber er hielt sich nicht lange damit auf, denn er kannte die Erklärung. Schlampigkeit, Bequemlichkeit. Es war nicht das erste Mal, daß Dinge übersehen wurden, und es würde nicht das letzte Mal gewesen sein.
    »Wir gehen mal eben raus und sehen nach der Pizza«, sagte Bosch, und er stand auf. »Dauert nur ein paar Minuten.«

    Draußen vor dem Vernehmungszimmer schluckte Bosch seinen Ärger hinunter und sagte: »Mein Fehler. Wir hätten mehr darüber reden sollen, wie wir es machen wollen, bevor wir uns seine Geschichte anhören. Ich hör’ mir gern erst mal an, was sie zu sagen haben, und stell’ die Fragen dann. Es war mein Fehler.«
    »Macht nichts«, sagte Wish kurz angebunden. »Er scheint ohnehin nicht sonderlich brauchbar zu sein.«
    »Vielleicht.« Er dachte einen Moment nach. »Ich überlege, ob ich nicht wieder reingehen und noch etwas mit ihm reden sollte, vielleicht ein Identikit mitnehmen. Und wenn er sich nicht genauer erinnern kann, könnten wir ihn hypnotisieren.«
    Bosch hatte keine Ahnung, wie sie auf diesen letzten Vorschlag reagieren würde. Er hatte ihn ganz beiläufig geäußert, halb in der Hoffnung, er würde unbemerkt durchgehen. Die

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