Schwarzes Echo
bin ich mit einem anderen zusammen runtergegangen, um Meadows zu suchen. Wir dachten, er wäre tot, aber wir hatten ja diesen Eid geleistet. Egal, was passierte, wir würden ihn rausholen und nach Hause schicken. Aber wir konnten ihn nicht finden. Den ganzen Tag sind wir da unten geblieben und haben gesucht, aber überall nur tote Vietcong gefunden. Die meisten von ihnen waren erschossen worden, manche hatten durchschnittene Kehlen. Allen hatte man ein Ohr abgeschnitten. Als wir wieder nach oben kamen, erklärte der Sergeant, wir könnten nicht länger warten. Wir hatten unsere Einsatzbefehle. Wir zogen ab, und ich hatte meinen Eid gebrochen.«
Bosch starrte mit leerem Blick in die Nacht hinaus, sah aber nur die Geschichte, die er erzählte.
»Zwei Tage später war eine andere Einheit in Nhuan Luc, und jemand fand in einer Hütte einen Tunneleingang. Sie holten ihre Leute, um nachzusehen, und die waren keine fünf Minuten im Tunnel, als sie Meadows fanden. Er saß wie Buddha in einem der Gänge. Ohne Munition. Redete wirres Zeug. Machte keinen Sinn, war aber okay. Und als sie dann versuchten, ihn dazu zu bringen, mit ihnen raufzukommen, wollte er nicht. Schließlich mußten sie ihn fesseln und ein Seil um ihn legen und ihn von der Patrouille da oben raushieven lassen. Im Licht sahen sie, daß er eine Kette aus Menschenohren um den Hals trug. Aufgefädelt zusammen mit seiner Hundemarke.«
Er trank das Bier aus und ging vom Balkon nach drinnen. Sie folgte ihm in die Küche, wo er sich ein neues Bier nahm. Sie stellte ihre halbleere Flasche auf den Tresen.
»Soviel zu meiner Geschichte. So war Meadows. Er fuhr nach Saigon, um etwas auszuspannen. Aber er konnte nicht ohne die Tunnel. Nur war er danach nie mehr der alte. Er erzählte mir, er wäre da unten einfach durcheinandergekommen und hätte sich verlaufen. Er wäre immer weiter in die falsche Richtung gelaufen und hätte alles umgelegt, was ihm begegnet wäre. Angeblich waren dreiunddreißig Ohren an seiner Kette. Und jemand hat mich mal gefragt, wieso Meadows einem der Vietcong ein Ohr gelassen hatte. Sie verstehen, wegen der ungeraden Zahl. Und ich habe ihm geantw ortet, daß Meadows jedem von ihnen ein Ohr gelassen hatte.«
Sie schüttelte den Kopf. Er nickte.
Bosch sagte: »Ic h wünschte, ich hätte ihn damals gefunden, als ich nach ihm gesucht habe. Ich habe ihn im Stich gelassen.«
Beide standen eine Weile da und sahen auf den Küchenfußboden. Bosch goß den Rest von seinem Bier in die Spüle.
»Eine Frage noch zu Meadows’ Akte, und dann kein Wort mehr zum Geschäft«, sagte er. »In Lompoc wurde er bei einem Fluchtversuch geschnappt. Und dann nach TI verlegt. Wissen Sie irgendwas darüber?«
»Ja. Es war ein Tunnel. Man traute ihm und ließ ihn in der Wäscherei arbeiten. Die Trockner hatten unterirdische Abzüge, die vom Gebäude nach draußen führten. Unter einem davon hat er gegraben. Nie mehr als eine Stunde am Tag. Man sagt, er hätte wahrscheinlich mindestens ein halbes Jahr an dem Tunnel gearbeitet, bis er entdeckt wurde, weil die Rasensprenger, mit denen im Sommer der Sportplatz berieselt wurde, den Boden aufgeweicht hatten, und der Tunnel einsackte.«
Er nickte. Er hatte sich schon gedacht, daß es ein Tunnel gewesen war.
»Die beiden anderen, die dabei waren«, sagte sie. »Ein Drogendealer und ein Bankräuber. Die sitzen noch. Da gibt es keine Verbindung.«
Wieder nickte er.
»Ich glaube, ich sollte jetzt gehen«, sagte sie. »Wir haben morgen viel zu tun.«
»Ja. Ich hab’ noch eine Menge Fragen.«
»Ich werde versuchen, sie zu beantworten, soweit ich kann.«
Sie schob sich auf dem schmalen Stück zwischen Kühlschrank und Tresen nah an ihm vorbei und trat hinaus auf den Flur. Er konnte ihr Haar riechen, als sie vorbeikam. Apfelduft, dachte er. Er merkte, daß sie sich den Druck an der Wand gegenüber des Garderobenspiegels ansah. Er bestand aus drei gerahmten Teilen und war der Druck eines Gemäldes aus dem fünfzehnten Jahrhundert mit dem Titel Der Garten der Lüste. Der Maler war ein Holländer.
»Hieronymus Bosch«, sagte sie, während sie die alptraumhafte Landschaft des Gemäldes betrachtete. »Als ich gelesen habe, daß das Ihr vollständiger Name war, habe ich mich gefragt …«
»Keinerlei Verwandtschaft«, sagte er. »Meiner Mutter gefielen seine Sachen. Wegen des Nachnamens, nehme ich an. Sie hat mir den Druck irgendwann geschickt. Schrie b in dem Brief, er würde sie an L. A. erinnern. All die Verrückten. Meine
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