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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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Er hatte schon ordentlich getankt. Aber an dem Abend konnte das seine Laune auch nicht aufhellen.
    ‹Was ist los, Wasilij Petrowitsch?› frage ich ihn.
    ‹Ach wissen Sie, Lorenz Lorenzowitsch, Ärger, nichts als Ärger.›
    Und da dem Regimentschef das Hin und Her der Bedienung wegen jedes einzelnen Glases auf die Nerven ging, bestand er darauf, dass die Flasche gleich auf dem Tisch stehen blieb. Ich saß noch nicht richtig, da goss er uns beiden die ersten «sto Gramm» ein. Und da es sich schweigend bekanntlich nicht gut trinkt, kam er mit der Sprache raus. Der General war da, begann er sein Klagelied.
    ‹Eine Inspektion außer der Reihe. Keiner hatte uns gewarnt. Die Leute im Stab werden auch immer billiger. Richtiges Geschmeiß. Früher hätten sie einen Wink gegeben. Heute ist jeder nur auf seinen Vorteil aus. So steht der General plötzlich am Tor der Panzerkaserne und will rein. Er ist doch nicht der Klassenfeind, dass er unangemeldet vorfährt? Ein stinkiger Typ, sage ich Ihnen! Sie wissen doch, was ich meine? Der hat sich unsere Panzerchen angeschaut und ist rot angelaufen. Sicher, sicher, es waren einige dabei, die aus eigener Kraft nicht mehr aus dem Unterstand kamen. Aber das weiß doch jeder, dass die Ersatzteile fehlen. Damit es zwei ins Gelände schaffen, müssen wir den Dritten ausschlachten. Ein Glück, die NATO zählt alle mit. Dann schritt der General, stolz wie ein Gockel, die Reihen ab und ließ alle Mängel aufschreiben.›
    Nach dieser langen Rede war es Popow trocken im Mund, er goss noch einen ein:
    ‹Und die Farbe der Panzer gefiel ihm schon gar nicht. Während wir stramm standen, schrie er, ob das hier ein Regiment der ruhmreichen Gardedivision der Sowjetarmee sei, die einst bei der Einnahme Berlins in der vordersten Front stand, oder ein Bordell, wo jede Nutte einen anderen Fummel auf dem Hintern hat? Nun ja, ich gebe zu, über die Jahre war allerlei Grün zusammengekommen. Die einen waren heller, die anderen dunkler, manche hatten Rostflecken. Geld für neue Farbe brachte er ja auch nicht mit, stattdessen drohte er: In einem Monat sei er zurück, und wenn dann nicht ein Panzer aussehe wie der andere, dann fänden wir uns alle an der chinesischen Grenze wieder. Da gebe es bekanntlich keinen Korn zum Frühstück. Beim Stichwort Schnaps wollten wir ihn zu Tisch bitten, wie das so Sitte ist. Er ließ nicht mit sich reden, sprang in seinen ‹Wolga› und rauschte davon. Da standen wir nun. Aber, was heißt hier wir , wenn ein Kopf rollt, dann ist es meiner . Und da soll man nicht trübsinnig werden.›
    Der Oberst schenkte wieder nach.
    ‹Ihr Genosse General mag es wohl hübsch?› Meine einfache Frage erheiterte Popow dermaßen, dass er den Schnaps über den ganzen Tisch prustete.
    ‹Genau! Hübsch! Alle Rohre in eine Richtung, die Ketten blank und nur ein einziges Grün. Wie bei einer Misswahl in Amerika. Lorenz Lorenzowitsch, woher sollen wir die Farbe nehmen? Ich bin ja froh, wenn wir den Offizieren den Sold auszahlen können und den Soldaten ihre 15 Mark im Monat. Für mehr ist kein Geld da! Und da soll man nicht zum Trinker werden?›
    ‹Das ist natürlich eine finstere Sache, aber ich glaube, Wassilij Petrowitsch, hoffnungslos ist sie nicht.›
    Wir tranken noch einen.
    ‹Ich denke, wir haben das, was ihr sucht. Es kommt selten genug vor, doch hin und wieder müssen wir einige Waggons grün streichen. Sie wissen schon, für wen die sind. So haben wir die Farbe immer auf Lager. Die Herrschaften lieben es nicht, wenn man sie warten lässt. Übrigens: Die Farbe heißt bei den Arbeitern Russengrün.›
    Der Oberst zerfloss vor Freude. Ich konnte ihn nicht davon abbringen, noch eine Flasche zu bestellen. Die Besatzung der ‹Schiene› ließ es sich wohl sein. Du kannst es dir vorstellen, was ich am darauffolgenden Tag für einen Kopf hatte. Dazu noch das Gezeter von Lena … Na, jedenfalls konnten die Jungs ihre Panzer anstreichen, und als die Parade abgenommen, der General versöhnt und nach einem schönen Besäufnis in der Kaserne abgefahren war, kam Popow und wollte wissen, wie er sich bedanken könnte.
    ‹Lassen Sie es gut sein. Es ist selbstverständlich, dass wir geholfen haben›, sagte ich.
    Aber er ließ nicht locker.
    ‹Nun, Benzin haben Sie doch genug? So schicken Sie Fritz ein paar Literchen. Und wenn der Plan bei uns brennt und wir ein paar junge Burschen zum Be- oder Entlanden brauchen, dann wäre es gut, wenn ein, zwei Kompanien helfen könnten.› Popow war

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