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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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zufrieden. Dass es gleich ein ganzer Tankwagen wird, konnte ja keiner wissen.»

II
    Die zwei Krähen flogen auf, unwillig ließen sie vom Aas. Vermutlich ein Fuchs, den jemand in der Nacht überfahren hatte. Ein rauer Wintersonntag, der letzte im Februar. Aus schweren Wolken fiel nasser Schnee. Die schwachen Wischer des «Pobeda» kamen nicht nach, den eisigen Schmand von der Scheibe zu schieben. Eine Windböe drückte das Auto fast in den Straßengraben, der Fahrer hatte Mühe, einem der vielen Apfelbäume, die winterkahl den Weg säumten, auszuweichen.
    In der Ferne sah Lorenz die Umrisse eines Kirchturms, auf den der Weg, wie fast immer in Thüringen, direkt zuführte. Den Bauernhof mussten sie nicht suchen. Das hohe Tor, die steinernen Pfosten, das mächtige Wohnhaus, das selbstbewusst und trotzig mit seinen Fenstern auf die Straße blickte – es gab keinen Zweifel, das war der Hof und kein anderer.
    Mehrere hatten hier schon geklopft und mussten unverrichteter Dinge in die Stadt zurückkehren. Die lange Zeit nur im Kriechtempo vorankommende Kollektivierung der Landwirtschaft nahm unter dem zunehmenden Druck aus Berlin deutlich an Fahrt auf. Überall in der Republik meldeten sie einen Erfolg nach dem anderen. Land, Vieh, Technik – die LPG, wie die ostdeutsche Variante der russischen «Kolchose» hieß, vereinnahmte alles. Glaubte man den langen Artikeln in den Zeitungen, so rissen sich die Bauern förmlich darum, sich selbst zu enteignen. Die Wirklichkeit sah anders aus. Und in Friemar, einem Dorf inmitten der fetten Böden vor den Toren Gothas, war der Widerstand besonders groß. Wochenende für Wochenende schwärmten die Agitatoren übers Land, um die Bauern zu überzeugen, und richteten doch nichts aus. Nun war die Reihe an ihm. Auch wenn er ein Techniker war und vom Säen und Ernten nicht viel wusste.
    Dennoch führte kein Weg daran vorbei. Die Partei erwartete von jedem leitenden Kader – und als technischer Direktor eines der größten Betriebe der Stadt gehörte er dazu –, dass er sich für den «Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse auf dem Land» einsetzte. So musste nun Lorenz an diesem Sonntag ausrücken, auch wenn er nicht wusste, was er dem Großbauern, ohne dessen Land und Wissen die LPG nie auf die Beine kommen würde, Überzeugendes sagen sollte. Dazu war am Tag darauf auch noch Rosenmontag, an ein ernstes Gespräch war also kaum zu denken.
    Er klopfte. Nach einer Weile öffnete eine junge Frau, die erst nicht verstehen konnte und dann auch nicht wollte, warum er Einlass begehrte. Sie gingen durch den kalten Flur, wo Lorenz Mantel und Hut ablegte. Aus einem der hinteren Zimmer hörte man lautes Reden, unterbrochen von Ausbrüchen noch lauteren Lachens. Seine Begleiterin öffnete die Tür, er folgte ihr in die gute Stube. Hier steuerte ein Familienfest gerade auf den Höhepunkt zu. Um den reichgedeckten Tisch saßen an die zwanzig Leute, Männer und Frauen, Junge und Alte, allesamt mächtig erhitzt.
    Die Gesellschaft verstummte auf einen Schlag und schaute den Fremden an. Die junge Frau ging um den Tisch und beugte sich zu einem stämmigen Mann, der ohne Hals auf die Welt gekommen sein musste. Sein Gesicht verfinsterte sich.
    «Können Sie nicht in der Woche kommen? Wir haben hier eine Familienfeier. Im engsten Kreis.»
    Lorenz war klar: Die Umstände für das Gespräch konnten nicht schlechter sein. Schon unter vier Augen versprach das, was sie zu bereden hatten, keine entspannte Plauderei.
    «Da, wo ich herkomme, bietet man einem Gast erst einmal einen Stuhl an.»
    Schlagartig richteten sich alle Blicke auf den Halslosen. Er war der Mann, auf den es hier ankam, der Bauer.
    «Na schön, wir haben geschlachtet, es reicht für alle.»
    Er wies Lorenz einen Platz schräg gegenüber zu.
    «Trinken Sie einen mit?»
    Der Bauer griff nach einer Flasche Klaren und sah wissend zu den Seinen. Es folgte allgemeine Heiterkeit. Allen war klar, so einer aus der Stadt, dazu noch im Zweireiher, der konnte nicht viel vertragen. Zügig abfüllen, das war ohne Zweifel die beste Methode, ihn schnell loszuwerden. Lorenz gefiel der Gedanke auch. Plötzlich wusste er, was zu tun war. Er nickte freundlich zurück und schob das vor ihm stehende Bierglas über die Tischplatte. Der Bauer stutzte:
    «Wir haben auch richtige Gläser.»
    «Das ist ein richtiges Glas. Für mich. Für dich auch? Gieß ein. Wenn schon trinken, dann richtig! Gieß, ich sage, wann genug ist.»
    Als das Glas überzulaufen drohte,

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