Schwarzes Feuer: Die Herren der Unterwelt (German Edition)
abrutschen. Ihre klatschnasse Hand.
Sie blickte sich um. Die Luft wurde bereits stickiger, bemerkte sie, heißer. So heiß, dass nicht nur ihre Hände, sondern auch Arme, Nacken, sogar ihr Gesicht mit einem Schweißfilm überzogen waren. Tropfen sammelten sich an ihrem Haaransatz und rannen ihre Schläfen hinab. Gelangten in ihre Augen, die sofort anfingen zu brennen und sich mit Tränen zu füllen, was ihre Sicht verschwimmen ließ.
„Geryon“, rief sie, hektisch umhertastend.
„Ich bin hier, Kadence.“ Im nächsten Moment kletterte er halb über sie hinweg und blieb dieses Mal schützend hinter ihr stehen. Sein herber, männlicher Duft hüllte sie ein, verscheuchte die fauligen Schwaden der Verwesung, von denen ihr langsam übel geworden war. „Alles in Ordnung?“
„Ja“, flüsterte sie. Aber bei den Göttern, in was für eine Lage hatte sie sich da nur manövriert?
6. KAPITEL
„Folge einfach meinen Bewegungen“, forderte Geryon sie auf. „Meinst du, du schaffst das?“
„Ja. Natürlich.“ Wirklich? Sie presste die Lippen aufeinander und begann, sich synchron mit ihm an der zerklüfteten Mauer entlangzuschieben. Schrecken erfüllte sie beim Gedanken an das bodenlos erscheinende Loch, das unter ihr wartete – weit mehr noch war sie allerdings mit dem männlichen Wesen hinter sich beschäftigt, das sie mit seinem breiten Rücken schützte, ihr Halt gab. „Wer weiß, vielleicht ist die Mauer ja gar nicht so schlimm beschädigt, wie ich befürchtet hatte. Eine Göttin wird doch noch hoffen dürfen, nicht wahr?“
„Richtig. Eine Göttin darf hoffen.“
Wie sehr ihr Körper danach hungerte, sich an seinen zu schmiegen. Sie wollte seine Stärke spüren, ihm nah sein, wenn auch nur für einen Augenblick. Doch sie tat es nicht, zu groß war ihre Angst, ihn abzulenken. Oder zu erschrecken. Oder durch die plötzliche Verlagerung ihres Gewichts aus der Balance zu bringen.
Ein Felsstück löste sich von der schmalen Erhebung, auf die sie gerade ihren Fuß gestellt hatte, und sie schrie auf.
„Ruhig bleiben. Du darfst auf keinen Fall deine Angst zeigen, egal wodurch“, raunte er ihr zu. „Die Dämonen und das Feuer weiden sich daran. Sie werden mit allen Mitteln versuchen, mehr davon in dir auszulösen.“
„Sie sind lebendig? Die Flammen?“
„Einige von ihnen, ja.“
Bei allen Gottheiten, wie viele Dinge gab es denn noch hier unten, von denen sie nichts wusste? „Ich hatte nicht erwartet, dass der Abstieg so schwierig sein würde. Wenn ich uns doch nur beamen könnte.“
„Beamen?“
„Sich von einem Ort zum anderen bewegen, nur mit der Kraft der Gedanken.“
„Du hast diese Fähigkeit?“
„Ja.“
„Und du kannst dich überall hindenken?“
„Überall hin, wo ich schon einmal war. Sich an ein unbekanntes Ziel zu beamen ist … nicht ganz ungefährlich.“
Er dachte einen Moment nach. „Bist du schon einmal auf dem Grund dieser Höhle gewesen?“
„Nein.“ Wahrscheinlich wunderte er sich darüber, dass sie, als einer der Hüter der Hölle, hier nicht jeden kleinsten Winkel erkundet hatte. Zumindest nicht, indem sie sich körperlich dorthin begab. Sie hatte sich für so wahnsinnig schlau gehalten. Einfach ihren Geist aussenden, das reichte doch. Nun wurde ihr klar, was für einen furchtbaren Fehler sie gemacht hatte.
„Dann möchte ich dich darum bitten, es nicht zu versuchen. Du könntest die Entfernung falsch einschätzen und an einer Mauerstelle landen, wo du dich nirgends festhalten kannst.“
Oder zehn Meter tief im Boden, aber das sagte sie ihm nicht.
„Trotzdem, es hört sich sehr praktisch an. Ich beneide dich.“
Der Ärmste. Er war seit unzähligen Epochen an seinem Platz gefangen gewesen. „Wenn du dich an jeden beliebigen Ort auf der Welt wünschen könntest, welcher wäre das?“ Vielleicht, wenn sie die fluchtwilligen Dämonen vernichtet hatten, könnte sie ihn dorthin begleiten. Natürlich wäre es ihr nicht möglich, bei ihm zu bleiben, denn sie hätte nach wie vor eine Aufgabe zu erfüllen – aber ihn glücklich zu sehen würde auch noch viele Jahre danach ihre Fantasie beflügeln und ihre Träume versüßen.
Er brummte in sich hinein. „Ich will dich nicht belügen, also verzeih bitte, dass ich diese Frage lieber nicht beantworte.“
Oh. „Sicher. Ich weiß deine Ehrlichkeit zu schätzen.“ Warum erzählt er es mir nicht? Die Neugierde zerrte an ihren Nerven. Schämte er sich etwa für die Antwort? Und falls ja, weshalb? Sie wollte es unbedingt
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