Schwarzes Fieber
gute alte P225 wurde von großen Teilen der deutschen Polizei unter der Bezeichnung P6 als Dienstwaffe getragen.
»Arbeiten Sie denn häufiger an solchen … gefährlichen Projekten? Laufen Sie deshalb bewaffnet durch die Gegend?«
»Erstens, falls es Sie beruhigt: Ich bin im Besitz eines gültigen Waffenscheins. Zweitens: Ja. Und drittens: Welcher Art meine Projekte sind, möchten Sie nicht wissen.«
Als er meinen immer noch leicht ironischen Blick bemerkte, sah er wieder zur verglasten Eingangstür.
»Sehen Sie, Herr Gerlach, Sie haben als Kripomann natürlich viel mit Kriminellen zu tun. Ich ebenso, aber mit einer anderen Sorte. Die, mit denen Sie sich herumschlagen, kriegen Sie fast immer, wenn es nicht gerade um Kleinkriminelle geht. Meine erwischt üblicherweise niemand. Meistens versucht nicht mal jemand, denen am Zeug zu flicken. Diese Menschen bekleiden oft höchste Ämter, genießen enormes Ansehen. Aber bitte glauben Sie mir, meine sind eindeutig die Schlimmeren.«
Der junge Mann verabschiedete sich lärmend vom Wirt, wieder küssten sie sich auf beide Wangen, dann war es still in dem kleinen Lokal. Es roch nach Gyros und zu altem Frittierfett.
»Sie haben natürlich Ihre Zweifel.« Machatscheck wirkte fast befriedigt bei diesen Worten. »Bleiben wir also dabei, dass ich ein komischer Journalist mit einer kleinen Angstpsychose bin, aber mit recht ordentlichen Verbindungen. Und dass meine Arbeit hin und wieder ein klein wenig riskant ist.«
»Wir waren im Jahr fünfundachtzig.«
»Richtig.« Wieder nahm er einen großen Schluck, so als würde er Bier und nicht Wein trinken. »Anfang fünfundachtzig wurde in Paris allmählich klar, dass sich eine Katastrophe anbahnte. Spätestens im April wurde es zur Gewissheit. Das Management der CNTS muss spätestens in diesem Monat gewusst haben, dass man Tag für Tag Tausende HIV-verseuchter Blutkonserven auslieferte und damit auch Tausende von Menschenleben gefährdete. Sie hatten damals Blutspenden im Wert von circa dreißig Millionen D-Mark auf Lager, die zu fast hundert Prozent verseucht waren.«
»CNTS heißt was?«
»Centre National … Das Nationale Zentrum für Bluttransfusionen in Paris.«
»Wie kann es sein, dass das Blut so stark verseucht war?«
»Erstens sind Blutspender damals wie heute meist arme Schweine, Junkies, Obdachlose. Und zweitens: Pooling. Man hat das Blut zahlreicher Spender zusammengemischt. War einer von hundert HIV-positiv, dann war es schon passiert.«
»Und wie ging es dann weiter?«
»Zunächst passierte das, was so oft passiert, wenn in großen Organisationen etwas so richtig in die Hose zu gehen droht. Die teuer bezahlten und superklugen Manager taten dasselbe, was kleine Kinder tun, wenn sie es mit der Angst kriegen. Sie machten die Augen zu und hofften, wenn sie nur lange genug warten und sich ganz still verhalten würden, dann würde alles wieder gut. Monatelang tat man einfach so, als sei nichts. Als würde man nicht täglich das Leben Kranker riskieren, Tausende und Abertausende mit dieser widerlichen Seuche infizieren. Bis in den Oktober hinein ging das so. Und dann brach dieser Skandal los, den übrigens ein guter Freund und alter Kollege von mir initiierte. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen, die Franzosen sind keineswegs die Einzigen, die Dreck am Stecken haben. Auch die Deutschen hatten damals ihren Skandal. Sie haben nur ein bisschen mehr Glück gehabt. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, was da abging: Die Manager einer Firma in Koblenz wurden Anfang der Neunziger wegen versuchter schwerer Körperverletzung in über siebzigtausend Fällen angeklagt.«
»Und was ist aus den vielen Blutkonserven geworden, die man in Paris am Ende übrighatte? Das müssen ja Tonnen gewesen sein.«
Machatscheck nickte. »Eine Spezialfirma in Metz erhielt den Auftrag, sie zu entsorgen. Das Dreckzeug konnten Sie ja nicht einfach in den nächsten Gully kippen. Das musste verbrannt werden, und zwar bei hohen Temperaturen.«
»Wie Sie das sagen, könnte man vermuten, es wurde nicht verbrannt.«
»Es ist sogar absolut sicher, dass das nicht geschehen ist.«
»Woher wissen Sie das?«
Der Journalist, der offenbar doch nicht so verschroben war, wie ich gefürchtet hatte, kicherte in sich hinein. »Erstens lebe ich davon, Verschiedenes zu wissen. Und zweitens hat mich vor etwa einem halben Jahr eine Frau angerufen und mir exakt dieselbe Frage gestellt.«
Meine Finger krampften sich um das Colaglas.
»Sie hat nicht
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