Schwarzes Fieber
nicht nur Tabletten und Verbandszeug und so.«
Die anderen setzten sich. Runkel blieb stehen.
»Blutkonserven?«, fragte ich verständnislos. »Und wo ist der Zusammenhang?«
»Da war doch mal so ein Skandal in den Achtzigern, erinnern Sie sich nicht? In Frankreich drüben.«
»Stimmt.« Noch immer verstand ich nicht, was das werden sollte. »Und?«
Vangelis zog ihre klassisch gerade Nase kraus. Sönnchen stand plötzlich in der Tür, als hätte sie gespürt, dass wir möglicherweise an einem entscheidenden Punkt angekommen waren. Runkel begann, hin und her zu rennen.
»Eine Riesensauerei ist das gewesen!«, schimpfte er mit beiden Armen gestikulierend. »Ich weiß es noch ganz genau!«
Blutkonserven. Endlich begriff ich. Ich klappte meinen Laptop auf und googelte einige Minuten herum. Lang lebe das Internet!
»Nicht nur in Frankreich«, klärte ich meine Zuhörer auf. »Aus den USA wurde Mitte der Achtzigerjahre ein bekanntermaßen HIV-verseuchtes Medikament nach Hongkong geliefert.«
Ich stöberte weiter.
»Und Sie haben recht.« Runkel knetete vor Stolz und Aufregung seine Finger. »In Frankreich sind damals über viertausend Patienten durch verseuchte Blutkonserven mit Aids infiziert worden. Erst im Oktober fünfundachtzig wurde die Auslieferung gestoppt, obwohl die zuständigen Behörden schon seit Monaten Bescheid wussten.«
Balke stand der Mund offen. »Lassen Sie mich raten …«
»Sie raten richtig.« Ich klappte den Laptop wieder zu. »Alle Verantwortlichen wurden später freigesprochen. Nachdem man ein paar Jahre herumprozessiert hat natürlich.«
»Ist nicht wahr, oder?« Er raufte sich die fast nicht vorhandenen Haare. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«
Vangelis blickte zur Decke. »Jetzt braucht man nicht mehr viel Phantasie«, murmelte sie. »Wenn die Amerikaner verseuchte Medikamente nach Asien geliefert haben …«
»Warum sollte ein deutscher Pharma-Großhändler nicht auch ein paar verseuchte Blutkonserven nach Afrika verticken«, fiel Balke ihr wütend ins Wort. »Vermutlich war das Zeug billig zu haben, nachdem die Franzosen ihre eigenen Leute nicht mehr damit umbringen durften. Muss ja wirklich ein super Geschäft gewesen sein!«
»Ich kenne Doktor Fahlenberg persönlich«, warf ich ein. »Flüchtig zwar nur, aber …«
»Sie trauen ihm das nicht zu?« Balke lachte und schlug sich zugleich zornig auf die Oberschenkel. »Haben Sie seine Villa nicht gesehen? Den Park drumherum? Wie lange muss einer wie wir wohl arbeiten, um sich so was leisten zu können? Tausend Jahre? Oder reichen fünfhundert?«
»Zweihundert«, erwiderte Runkel ganz ernsthaft. »Die Zinsen sind günstig zurzeit. Aber ich verdien halt auch mehr als du. Verheiratet, Kindergeld und alles.«
Ich konnte plötzlich nicht mehr sitzen und begann ebenfalls, auf und ab zu gehen. Die anderen beobachteten mich gespannt.
»Wir brauchen Beweise«, sagte ich schließlich. »Bringen Sie mir Fakten. Auf eine zweite Blamage kann ich gut verzichten. Die Staatsanwaltschaft lyncht mich, wenn ich noch einen Flop bringe.«
Nur zwei Stunden später klopfte Balke an meine Bürotür. Er legte seinen PDA aufgeklappt vor mich hin. Auf dem kleinen Bildschirm leuchtete eine Handynummer.
»Heinz-Jürgen Machatscheck«, klärte er mich auf. »Ein freier Journalist, schreibt hauptsächlich für die FAZ und die Süddeutsche. Den sollten Sie mal anrufen.«
»Wozu?«
»Er hat damals einiges über den Skandal in Frankreich geschrieben. Ich habe ein paar von seinen Artikeln im Internet gefunden.«
Machatscheck nahm schon nach dem zweiten Klingeln ab. Seine Stimme klang sonor und ein wenig langweilig. Ich schilderte ihm mein Anliegen. Anschließend war er erst einmal still.
»Sie sind wer?«, fragte er dann vorsichtig.
»Gerlach. Kripo Heidelberg.«
»Ich rufe Sie zurück.«
Balke sah mich amüsiert an. »Was hat der denn für ’ne Macke?«
Es dauerte fast zwei Minuten, bis das Telefon klingelte.
»Was wäre der Deal?«, wollte Machatscheck ohne weitere Förmlichkeiten wissen. »Was hätte ich davon, wenn ich mit Ihnen kooperiere?«
»Vielleicht das schöne Gefühl, der Gerechtigkeit zu einem kleinen Sieg verholfen zu haben?«
»Von schönen Gefühlen kann ich nicht leben.«
»Was wäre Ihr Angebot?«
»Ich bekomme die Story exklusiv.«
»Das müsste sich machen lassen.«
»Jede Information mit zwölf Stunden Vorlauf.«
»Okay.«
»Wann und wo?«
»Könnten wir das nicht am Telefon …?«
»Nein«, erwiderte er
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