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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Nachbarhaus der Pension schien einer Studentenverbindung zu gehören. Dort lümmelten ein paar Burschen auf der Terrasse herum und hielten – manchmal ist das Klischee die Wahrheit – allesamt trotz der mittäglichen Hitze Bierflaschen in der Hand. Der Wetterbericht hatte für heute einen neuen Hitzerekord angedroht.
    Ich drückte die einen Spalt offen stehende, prächtig verschnörkelte Tür des Hauses auf. Über abgetretene, dicke Läufer ging es lautlos ins Dunkle. Nach der grellen Wüstenhelligkeit draußen gewöhnten sich meine Augen nur allmählich an das Dämmerlicht.
    Der hochgewachsene Mann mit Haltung und Miene eines Lords aus uraltem Adel stand so plötzlich vor mir, dass ich nicht hätte sagen können, woher er gekommen war. Kühl war es hier. Und es roch ein wenig nach Earl-Grey-Tee.
    »Der Herr von der Kriminalpolizei?«, fragte er in einem Ton, als befänden wir uns in einer Einsegnungshalle. Sorgfältig studierte er meinen Dienstausweis.
    »Folgen Sie mir bitte«, sagte er dann. »Gehen wir in den Frühstücksraum.«
    Geldenham führte mich um ein paar Ecken des verwinkelten Gebäudes, eine alte Professorenvilla vielleicht, und plötzlich standen wir in einem nicht übermäßig großen, hellen Zimmer, das billig, aber penibel reinlich eingerichtet war. Vier Tische mit jeweils vier exakt ausgerichteten Stühlen und zwei Zweiertische machten sich gegenseitig den Platz streitig. Wenn hier alles besetzt war, dann traten sich die Menschen auf die Füße. Es duftete nach gutem Kaffee und ein klein wenig nach Bittermandelöl.
    Wir setzten uns an ein großes Fenster mit dem Blick auf den Neckar, der der Pension den Namen gab. Eine gelb gestreifte Markise verhinderte, dass die Sonne uns grillte. Jetzt erst bemerkte ich, dass mein Führer ein dickes Buch unter dem Arm trug.
    Wortlos legte ich einige Fotos auf den Tisch, die unsere Unbekannte mit und ohne Perücke zeigten.
    »Aber ja«, sagte er nach einem langen, aufmerksamen Blick über die schmale Brille hinweg. »Es besteht kein Grund, zu zweifeln.«
    Mit gemessenen Bewegungen schlug er sein Buch auf und deutete auf einen der letzten Einträge. Engracia de Santos, entzifferte ich mühelos seine akkurate Handschrift.
    »Schöner Name«, sagte ich, »Engracia.«
    »Dem pflichte ich bei.«
    Der Bittermandelgeruch schien von meinem Gesprächspartner auszugehen. Geldenham schob den Meldezettel von Frau de Santos über den Tisch. Ihre Handschrift war ein wenig krakelig, aber ich hatte keine Mühe, sie zu lesen.
    Und dann – wie ein Stromschlag: Huambo, Angola.
    Solche Zufälle gibt es nicht. Zwei Menschen waren im Abstand von zweieinhalb Wochen aus dem Süden Afrikas nach Heidelberg gereist. Nunda wurde hier ermordet, Frau de Santos um ein Haar ebenfalls.
    »Was können Sie mir über die Dame sagen?«
    »Sie war ein höchst angenehmer Gast. Still, sehr still. Sie legte keinen Wert auf persönlichen Kontakt.«
    »War sie viel unterwegs?«
    Nachdenklich schüttelte Geldenham den großen Kopf mit beneidenswert kräftigem, rötlich blondem Haar. Jetzt erst fiel mir auf, wie blass er war. Als würde er seine dunkle Höhle niemals bei Tageslicht verlassen. Perfekt passend zur Haarfarbe, trug er einen bestimmt in London maßgeschneiderten braunen Zweireiher samt Weste. Seine Rechte zierte ein schwerer Siegelring, und ich kam zu dem Schluss, dass er wirklich adliger Abstammung war.
    »Nein«, erwiderte er zögernd, als zweifelte er an seinen eigenen Worten, »die meiste Zeit weilte sie auf ihrem Zimmer.«
    »Hat sie telefoniert?«
    »Zwei Mal nur. Jeweils nur kurz.«
    »Wie hat sie sich ernährt? Ging sie essen?«
    Seine Lordschaft verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln.
    »Frau de Santos hat immer äußerst … nun … gründlich gefrühstückt.«
    »Und sonst hat sie nichts gegessen?«
    »Sie richtete sich immer noch eines oder zwei Brötchen und nahm sie mit auf ihr Zimmer. Ich sehe dies natürlich nicht so gerne, wie Sie sich denken können. Aber man möchte ja auch nicht so sein. Die Dame ist stets sehr zeitig aufgestanden und auch früh zu Bett gegangen. Und sie hat immer nur Wasser getrunken, aus der Leitung, immer nur Wasser. Außer dem Kaffee zum Frühstück natürlich. Aus dem Kühlschrank hat sie nie etwas entnommen. Jedenfalls hat sie nichts in das Heft eingetragen.« Mit einer eleganten Geste wies er auf den hohen, alten Kühlschrank, der in einer Nische neben der Tür zufrieden vor sich hinbrummte. »Meinen Gästen ist erlaubt, sich dort zu bedienen.

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