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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Eigentlich hatte Rosana heute aus dem Krankenhaus entlassen werden sollen, und es hatte mich einige längere Telefonate gekostet, noch zwei Tage Aufschub herauszuschinden. Am Mittwoch, in gut vierzig Stunden würde meine einzige Zeugin das Land verlassen. Irgendeine gute Seele hatte sich mit der angolanischen Botschaft in Verbindung gesetzt und den Flug gebucht. Ihr bisschen Gepäck stand bereit.
    Als ich das Krankenzimmer betrat, lag sie nicht wie sonst im Bett, sondern saß mit bloßen Füßen, in Jeans und T-Shirt in einem Sesselchen am Fenster und blätterte ohne Interesse in einem englischsprachigen Modemagazin. Sie sah auf und strahlte.
    »Alexandre!«
    Sie schien sich zu freuen, mich zu sehen. Ihr Haar war inzwischen ein lockiger Wildwuchs, der gar nicht schlecht aussah. Sie war ohnehin nicht der Typ für Föhnfrisuren.
    »How are you today, Rosana?«
    Ich war ein bisschen heiser.
    »I’m getting better and better every day.« Sie lächelte immer noch. »I’m a little lonely, though. But I’m used to being lonely, you know.«
    Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie das Alleinsein gewöhnt war. Ich setzte mich auf meinen üblichen Stuhl, zwang das Lächeln aus meinem Gesicht und konfrontierte sie ohne Umschweife und Vorreden mit unseren Überlegungen und Schlussfolgerungen. Nicht einmal das tote Baby ersparte ich ihr. Von Hecker wusste ich, dass es ein knappes Jahr nach ihrer Flucht zur Welt gekommen und sieben Wochen später gestorben war. In seiner bissigen Art hatte er vermutet, sie sei unterwegs vergewaltigt worden. Was dagegen sprach: Das Baby war weiß gewesen.
    Schon bei den ersten Sätzen senkte sie den Blick, und als die Rede auf Manuel kam, ihren toten Bruder, verhärtete sich ihre Miene.
    »You’re wrong«, behauptete sie mühsam beherrscht, als ich geendet hatte. »Completely wrong.«
    Aber ihre Stimme sagte das Gegenteil ihrer Worte. Ihr Widerstand war beinahe gebrochen. Ich fühlte mich so elend.
    »But what else did you want here?«, fragte ich leise. »Why are you in Heidelberg?«
    Was sonst wollte sie in Heidelberg, wenn es nicht um ihren toten Bruder ging?
    Jetzt hatte sie sich wieder in der Gewalt. Mit einem hellen Lachen zuckte sie die Achseln.
    »It’s so nice here. I’ve never been anywhere. Only Angola all my life. And now, as Manuel is dead, I thought I should see something else.«
    »Who is it Mr Nunda was searching for?« Ich musste unbedingt wissen, wen Nunda in ihrem Auftrag gesucht hatte.
    Sie sah mir offen in die Augen, als sie lächelnd antwortete: »Don’t know the man. Never heard of him.«
    Konnte meine Menschenkenntnis mich so im Stich lassen? Wir mussten falsch liegen. Vollkommen falsch. Rosana konnte einfach nicht so gerissen sein, mir lächelnd ins Gesicht zu lügen. Dagegen stand die Aussage dieses Kleindealers, Pierre Duval, der behauptete, sie sei in Nundas Zimmer gewesen. Sollte ich eine Gegenüberstellung organisieren? Wenn ich Glück hatte und Duval gute Laune, dann würde er sie vielleicht sogar wiedererkennen. Aber dann stünde die Aussage eines Kleinkriminellen gegen die einer unbescholtenen Touristin. Andererseits hatte sie nachweislich mehrfach versucht, Nunda zu erreichen, die Nummer der WG gewählt. Er hatte sie in Angola angerufen. Das waren Fakten. Sie log. Sie musste lügen.
    Aber es war wie verhext. Sah ich in Rosanas Gesicht, war ich sicher, dass sie die Wahrheit sagte. Schloss ich die Augen, war mir ebenso klar, dass sie log. Die Fakten sprachen gegen sie. Für sie sprachen ihr offener Blick und ihr Lächeln.
    Rosana lächelte mich immer noch an, freundlich, still, voller Sympathie. Fehlte nur noch, dass sie Mitleid mit mir hatte.
    Meine einzige Chance war, in den nächsten anderthalb Tagen Nundas Mörder zu überführen oder den, der Rosana niedergeschlagen hatte, was vermutlich auf dasselbe hinauslief. Aber wie? Wo anfangen? Wir hatten keine neuen Spuren, keine Hinweise, die noch nicht ausgewertet waren. Wir hatten einfach nichts.
    Rosanas Lächeln erlosch.
    »Everything okay, Alexandre?«, fragte sie besorgt.
    »No«, entgegnete ich scharf, »nothing is okay. I really want to know who is trying to kill you again and again. But you don’t help me.«
    »I cannot.« Sie ergriff meine Hand. »I would, if I could.«
    Ich räusperte mich. Was blieb mir übrig? Ein letztes Mal. Ganz von vorn.
    »Where were you that evening you were …?«
    Was hieß überfallen auf Englisch? Aber Rosana verstand auch so.
    »On the Kunigstuhl, the King’s chair.«

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