Schwarzes Gold Roman
die Schlagkraft des Unternehmens in der Schifffahrt und auf dem
Offshore-Markt bedeutend größer. Andererseits hatte Georg Spenning nicht den
Wunsch, Brede Gran reich zu machen.
Während er dem Schweigen des alten Mannes lauschte, zählte
er die Striche, die der Sekundenzeiger auf der Uhr über der Tür passierte.
Georg Spenning benötigte sieben Sekunden, um sich zu entscheiden. Er
brummte:
»Der Preis muss verdammt hoch sein, damit sich so ein Kauf
nicht lohnt.«
»Deshalb rufe ich an.«
»Aber den Preis runterzuhandeln, nur um Grans Gewinn so
niedrig wie möglich zu halten, wäre unprofessionell.«
»Unprofessionell, aber verständlich. Und du musst davon
ausgehen, dass Erling diesen Gedanken bereits mit eingerechnet hat.«
»Und du glaubst, dass die Verhandlungen keinen Pferdefuß
haben?«
»Nicht direkt. Wie ich die Sache sehe, richtet sich das
Angebot ungefähr nach den Zahlen, die in der Avanse standen – abzüglich der
Summe für freie Erfindung und Presserummel natürlich. Doch natürlich wird
Gran am Ende in jedem Fall einen Gewinn machen, egal an wen er verkauft. Unser
Vorteil ist, dass Gran am liebsten an Spenning AS verkaufen will – was mit
Rache und pu-bertärem Gehabe dir gegenüber zusammenhängt. Aber genau darin
liegt auch die Chance, den Preis drücken zu können. Wenn Erling den Preis so
veranschlagt, wie ich es annehme, haben wir einen Vorteil. Denn es gibt kaum
andere Akteure, die so viel Kapital aufbringen können.«
»Weiß Erling, dass du Bescheid weißt?«
»Alles andere würde mich sehr wundern.«
Wieder stellte sich Schweigen am anderen Ende der Leitung
ein.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Vebjørn. »Sollen wir den
Aufsichtsrat zusammenrufen und Brede Gran zu einem reichen Mann machen?«
8
Als Erling Sachs den Verkauf der Anteile anleierte, die Brede
Grans Öltechnologieunternehmen O-TEK an den Reedereien Tønnesen und Stavanger
hielt, besuchten Ole Gunnar Huseby und Terje Plesner ein Seminar über
Lachszucht in Bergen. Nach dem Vortrag wurden die beiden zu einer Exkursion
eingeladen. Mit dem Schnellboot ging es entlang der Küste nach Norden. Sie
blieben an Deck, während der Wind an Bügelfalten und Trenchcoats zerrte. Mit
den Händen in den Jackentaschen spürten sie, wie die frische Brise sie
ergriff. Die Sonne schien von einem klaren Himmel auf das Schnellboot, das im
Schutz der Schären entlangfuhr. Zwischen Inseln mit kleinen Höfen und
Traktoren, die einsam auf stillen Erdfleckchen standen, hinterließ das Boot
einen Streifen schäumenden Kielwassers. Sie standen an der Reling und schauten
hinaus, während sie unter Brücken hindurchbrausten, die das Inselmosaik
verbanden, nach Norden, Richtung Stadlandet. Torbjørn Vika kletterte zu ihnen
an Deck. Er besaß den tonnenförmigen Körper, der so typisch war für die
Leute vom Vestlandet, Arbeiterhände, rotes Haar und Sommersprossen. Seine
Lippen waren schmal und nahezu unsichtbar, sein Kiefer massiv und hart wie ein
Amboss. Breitbeinig überquerte er das Deck und lächelte Plesner mit seinem
lippenlosen Mund schief an. Vika war ein Mann, der sich auf See wohlfühlte,
sein gesamtes Wesen strahlte Zufriedenheit aus, wenn er die Metallhaken hob und
sich den frischen Wind durch das Gesicht streichen ließ, ehe er auf das Land
zeigte und über den Lärm hinweg kleine Anekdoten zum besten gab, über Leute,
die er an dem einen oder anderen Ort kannte. Das Boot neigte sich, teilte die
glatte Meeresoberfläche in einem perfekten Bogen und nahm Kurs auf einen
Fjordarm. Dort, am Ende des Fjords, legte das Boot an, neben einer Reihe von
Fischgehegen, die in dem stillen Wasser aussahen wie olympische Ringe. Die
beiden Hauptstädter bekamen gelbe Sicherheitshelme gereicht, dadurch fühlten
sie sich wichtig oder, genauer gesagt, wie das Bild von Wichtigkeit: Männer in
marineblauen Herbstmänteln, dem Anlass entsprechend mit gelben Helmen auf dem
Kopf – das kannte man aus den Nachrichten. Inspektion, Geld, Ordnung,
Schnelligkeit und der Wille, das Gras wachsen zu sehen. So schritten sie hinaus
auf die Metallgitter, die zwischen den Lachsgehegen auf Pontons lagen. In ihren
Lackschuhen unsicher auf den Füßen, wurden sie von einem Mann geleitet, den
Plesner in bester Lobhudelei als den König der norwegischen Fischzucht
bezeichnet hatte. Torbjørn Vika.
»Er ist Legastheniker«, hatte Plesner geflüstert.
»Legastheniker, aber nicht dumm. Er hat das Gleiche wie der
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