Schwarzes Gold Roman
Aufsichtsrat von Tønnesen lehnte es ab, der Gran-Gruppe einen Sitz
in ihrem Kreis einzuräumen, obwohl sie eine Aktienmehrheit von 51 Prozent
hält. Egal welche Pläne Gran mit Stavanger Steam verfolgt, die Antwort des
Aufsichtsrats werde eine Kriegserklärung sein, sagt Audun Nordnes.
7
An einem Tag im Mai meldete Frau Ekely, dass Erling Sachs am
Telefon sei.
Einen Augenblick sah Vebjørn verwundert auf, dann nahm er
den Hörer ab. »Hallo, Erling. Lange her.«
»Ich erinnere mich noch gut daran, du nicht? Ha, ha, ha,
aber egal, alles in Ordnung bei euch in Labben?«
»Geht alles wie am Schnürchen. Und bei dir? Wie geht’s
Bette Line und eurer Tochter?«
»Bestens. Aber ich rufe in einer geschäftlichen
Angelegenheit an.«
»Und die wäre?«
»Nicht so hastig, ich muss erst noch ein paar Schmeicheleien
loswerden. Wie du ja weißt, analysiert Kapitalinvest laufend die
börsennotierten Unternehmen. Und wie du sicher auch weißt, arbeiten wir mit
einer internen Skala – geheim natürlich, sowohl die Skala als auch die
Kriterien. Aber das Ranking ist keineswegs geheim. Und da kann ich verkünden,
dass Spenning AS in allen Punkten die Liste anführt. Wir machen gerade die
Pressemeldung fertig.«
»Wie du weißt, wusste ich das bereits«, antwortete
Vebjørn leichthin.
»Kapitalinvest rechnet Spenning AS als Norwegens
mächtigsten und wichtigsten Konzern«, schmierte Erling weiter und fügte
hinzu: »Aber das wusstest du wahrscheinlich auch schon?«
Vebjørn lächelte und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Sprechen wir offen, Erling. Gerade drängt sich mir folgender Gedanke auf:
Kapitalinvest ruft mich an, um mir Dinge mitzuteilen, von denen wir beide
wissen, dass sie alte Neuigkeiten sind. Außerdem ist der Anrufer, der mich in
einer geschäftlichen Angelegenheit sprechen will, nicht irgendwer.«
»Und so weiter und so fort«, schmunzelte Erling herzlich.
»Also, ich rufe an, weil ich sichergehen wollte, dass alle Implikationen
geklärt sind, ehe das Angebot vorliegt.«
»Welches Angebot?«
»Kapitalinvest wird mit großer Wahrscheinlichkeit die
Aktienmehrheit von zwei der prestigeträchtigsten Reedereien Norwegens zu einem
günstigen Preis zum Verkauf anzubieten haben – fürs Erste.«
Vebjørn setzte sich zurecht. »Und du rufst bei mir an.«
»Bei Spenning AS.«
»Von welchen Reedereien sprechen wir? Und wo liegen sie in
deinem Ranking?«
Eine Stunde später nahm Vebjørn den Telefonhörer ab und
wählte Georg Spennings Nummer.
»Georg? Ich bin’s, Vebjørn.«
Sie tauschten ein paar Freundlichkeiten über Georg Spennings
schönes Rentnerleben aus, ehe Vebjørn zur Sache kam. Er sagte: »Apropos
Familie, dein Schwiegersohn hat mich heute angerufen …«
Vebjørn lauschte auf die Reaktion am anderen Ende, dann fuhr
er fort: »Was er wollte? Außer sich an meinem Geld vergreifen, meinst du? Ha,
ha, ha, nein, wir haben überhaupt keine Vorurteile. Erst habe ich eine Frage.
Hast du gelesen, dass dein alter … ich meine, dein ehemaliger Mitarbeiter
Brede Gran sich bei Stavanger Steam eingekauft hat? Dann hast du auch
mitbekommen, wie der Aufsichtsrat das findet?«
Wieder lauschte Vebjørn.
»Naja, ich glaube, das ist nicht unwichtig«, sagte er
schließlich. »Gran hat Kapitalinvest als Makler beauftragt.«
»Eigentlich wollte Erling nur das Gerücht verbreiten, dass
der Verkauf eines geheimen Aktienpaketes bevorsteht. Und er will uns als
Käufer. Ich rufe dich an, weil ich dich auf zwei Umstände, die dieses
Geheimnis betrifft, vorbereiten will …«
»Bist du unter die Gedankenleser gegangen?«, fragte Georg
Spenning aufgebracht.
»Nein, aber ich habe ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel,
und ich kenne deinen Schwiegersohn ein bisschen. Das Paket wird wahrscheinlich
überteuert sein. Außerdem beinhaltet das Paket deinen alten Busenfreund Brede
Gran. Die Frage ist, ob wir Grans Aktien der Reedereien Stavanger Steam und
Tønnesen übernehmen wollen.«
»Warum?«
»Sie geben die naheliegende und offizielle Erklärung an,
dass die Situation festgefahren ist, unmöglich, dass der Mehrheitshalter
keinen Platz im Aufsichtsrat hat und bla, bla.«
»Zu welchem Preis?«
»Zu einem Preis, der aus Brede Gran einen sehr wohlhabenden
Mann macht.«
Vebjørn lächelte in die darauffolgende Stille.
Er wusste, was der Alte dachte. Wenn Spenning AS mit einem
einzigen Fingerschnippen die Kontrolle über Stavanger Steam und Tønnesen
bekäme, wäre
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