Schwarzes Gold Roman
Ich fürchte, wir brauchen eine Garantie von
der DnC.«
»Eine Garantie?«
»Ja, eine Bankbürgschaft. Sie rufen doch von der DnC an,
oder nicht?«
Gran knallte den Hörer auf. Er fuhr herum. Wer könnte ihm
eine Bürgschaft über eine halbe Milliarde geben? Zum wiederholten Male schrie
ein Haufen Menschen durcheinander.
Gråtun erhob sich. »Ich kann«, sagte er mit schwerer
Stimme.
Da betrat Lindeman wieder den Raum.
»Gråtun bürgt für eine halbe Milliarde«, brüllte
Gun-nar Lie. »Gran kauft sich in den Konzern ein!«
Mit ausgestrecktem Arm und dem Blitzen eines siegreichen
Gladiators vor Caesars Thron in den Augen, war Brede Gran unterwegs zum
Telefon.
»Ich protestiere«, sagte Vebjørn Lindeman.
Alle drehten sich zu ihm um.
»Spenning AS ist Arbeitgeber für tausende von Menschen.
Tausende. Das sind Menschen, die im Vertrauen auf uns ihr Leben geplant haben.
Menschen mit hohen Immobilienkrediten, Autokrediten, mit Ehefrauen und
Kindergartenkindern. Dieses Unternehmen hat eine Verantwortung inne, die
niemand einschätzen kann, der diesen Leuten nicht ins Auge geblickt hat. Und
ich bin es, der die Verantwortung dafür trägt, dass sich die Räder drehen.
Dieses Unternehmen ist keine Apfelkiste, die man auf dem Markt verscherbelt. Es
ist eine Maschinerie, die dem norwegischen Wirtschaftsstandort eine
Lebensgrundlage bietet, und das seit Generationen. Außerdem ist es ein
Lebenswerk. Ich widersetze mich dieser Farce. Ich glaube nicht, dass
Kapitalinvest Aktien im Wert von einer halben Milliarde hält. Das Ganze ist
ein Bluff. Sehen Sie das doch ein.«
Das Telefon begann zu klingeln.
Saved by the bell.
Brede Gran riss das Telefon an
sich. Es war Erling Sachs, der gleichgültig wie die Wettervorhersage im Radio
vermeldete: »Ohne augenblickliche Bürgschaft geht unser Aktienposten an
Néslien.«
Verzweifelt sah sich Gran im Raum um. Niemand wedelte mit
einem Papier. Er sah gesenkte Lider. Die Hand um den Telefonhörer wurde weiß.
Es half nicht. Er hatte keine Bürgschaft. Er musste einsehen, dass die
Schlacht verloren war.
27
Anders’ Einweihungsfest wurde eine Party wie in alten
Zeiten. Freunde brachten Freunde von Freunden mit. Er kannte kaum die Hälfte
seiner Gäste. Es gab nicht ausreichend Stühle, man saß auf dem Boden und
allen verfügbaren Tischkanten. Der Boden im Wohnzimmer war gesteckt voll. Die
Leute wanden sich mit Gläsern in den Händen aneinander vorbei, und manche
bewegten sich ein bisschen zur Musik. Einer, der sich unerwartet und
uneingeladen unter den Gästen befand, war Willie Busk, den Anders noch aus
Schulzeiten kannte. Er hieß eigentlich Wilfred. Aber sie hatten nie viel
miteinander zu tun gehabt. Willie war ein Junge mit hellen Engelslöckchen und
Himmelfahrtsnase gewesen. Eins wussten alle über ihn: Er hatte Angst, dass ihm
der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Was er einmal jemandem im Geheimen
anvertraut hatte, wurde verraten. Das hatte zur Folge, dass ihm die Jungen
hinterherriefen: »Willie, Willie, hau schnell ab, dir fällt gleich der Himmel
auf den Kopf!« Da lief der Junge mit dem Engelshaar schnell wie ein Hase ins
nächste Haus.
»Hallo, Anders, kennst du mich noch?«
»Mensch, Willie, du siehst aus wie eine Schwuchtel!«, sagte
Anders und spielte damit auf Willies geschniegeltes Aussehen an, die Haare
gegelt und ein blitzender Eckzahn aus Gold.
»Ich bin eine Schwuchtel, wusstest du das nicht? Erinnerst
du dich an Arne?«
Anders gab Willies Freund die Hand. Der Mann trug eine
schwarze Designerbrille und einen schwarzen Rollkragenpullover, der an seinem
dicklichen Oberkörper klebte.
Willie und noch ein weiterer Junge waren mitten im Schuljahr
in die Stadt gezogen. Am ersten Schultag waren ihre Mütter mit in die Klasse
gekommen. Die Mutter des anderen Jungen hatte gelacht, und dabei war aus ihrem
einen Nasenloch eine kleine Rotzblase gekommen. Dieses Ereignis prägte das
Image des Jungen, bis die Klasse zum Schwimmen ins Nadderudbadet ging. Da
entfuhr dem Kerlchen im Wasser ein Furz, der in Form einer kleinen braunen
Wurst an die Wasseroberfläche stieg. Seither war der Junge ausschließlich
unter dem Namen Beckenscheißer bekannt. Anders hatte den Jungen nie anders
genannt. Als Arne sich umwandte und Willie ins Wohnzimmer führte, erkannte er
ihn wieder.
»Willie, Willie, komm mal her.«
»Was gibt’s, Anders?«
»Bist du mit dem Beckenscheißer zusammen?«
»Lass es mich so formulieren,
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