Schwarzes Gold Roman
bleichen Unterarm einen alten Mückenstich gefunden. Mit dem
Daumennagel quetschte er Abdrücke in den Stich. Gunnar Lie hatte sich nach
vorne gebeugt und starrte auf die Tischplatte, während er immer wieder sein
Armband schnalzen ließ. Brede Gran wischte sich unablässig die Handflächen
an der Hose ab. Eine Viertelstunde verstrich. Fünfzehn Mal klickte der
Minutenzeiger. Neunhundert schwere Schläge des Sekundenzeigers. In
fünfundvierzig Minuten lief Nésliens Angebotsfrist ab. Lindeman war nicht
erschienen. Alle Augen waren auf den Sekundenzeiger geheftet, der langsam eine
Runde nach der anderen drehte. Auf wundersame Weise verstrich eine weitere
Viertelstunde. Jim Klafstad stellte seine Schaukelei auf dem Stuhl ein.
Stattdessen ging er pinkeln. Gran schwitzte. Auf seiner Stirn perlten die
Tropfen. Er kämpfte um Selbstbeherrschung. Jonas Wilhelmsen hatte im rechten
Nasenloch ein Haar gefunden und versuchte, es auszureißen. Eine weitere
Ewigkeit brach an.
»Es ist zwanzig vor«, sagte Lie.
»Halten Sie den Mund, wir wissen, wie spät es ist!«
Lindeman erschien, in seiner ruhigen Art, zehn Minuten vor
Ablauf der Frist. Alle fielen einander ins Wort. Lindeman stand mitten im Raum
und hielt sich theatralisch die Ohren zu und bat sie, sich zu beruhigen. Als es
still wurde, gab er kurz bekannt, dass ihm die gesamte Konferenz missfiel. Er
sah Brede Gran direkt ins Gesicht, während er sprach, als wäre es eher der
Anblick dieses Mannes, der ihm missfiel, nicht so sehr die Konferenz als
solche.
Die Stille hielt zwei Sekunden an. Dann ergriff Gråtun das
Wort und schilderte die Situation: »In zehn Minuten wird Spenning AS auf dem
Rücken liegen. Seit Néslien ins Bild gekommen ist, hat sich die Lage
drastisch geändert. Wenn du, Vebjørn, dich entschließt, das Angebot der
Riebergruppe zu unterstützen und zu akzeptieren, sind Néslien, Dagfinn
Bløgger und Kapitalinvest raus aus der Sache.«
Vebjørn Lindeman wandte sich von Gråtun ab und betrachtete
die anderen, die aufmunternd nickten und auf seine erlösende Zustimmung
warteten.
»Akzeptieren? Einen Raubversuch?«
»Vebjørn«, sagte Gråtun inständig. »Jetzt musst du ein
bisschen flexibel sein. Lange Gesichter helfen uns nicht weiter. Ab und zu
müssen wir alle mal in den sauren Apfel beißen. Meiner Meinung nach solltest
du akzeptieren, und zwar schnell. In ein paar Minuten verkauft Sachs seine
Anteile. Das hier ist dramatisch.«
»Das muss ich mir erst mal überlegen«, sagte Lindeman.
Wieder lag lähmendes Schweigen über dem Konferenzraum. Der
Sekundenzeiger von Gråtuns Wanduhr drehte eine halbe Runde.
Klafstad hielt dem Druck nicht stand. Mit einem Satz sprang
er von seinem Drehstuhl auf und brüllte, dass die Spucke nur so aus seinem
Mund flog: »Sagen Sie ja. Sagen Sie ja, verdammt noch mal!«
Das löste wieder allgemeines Geschrei aus. Lindeman
flüsterte Gråtun ins Ohr, dass er sich mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden
Ulf Landstad besprechen wolle. Er ging hinaus, um ungestört zu telefonieren.
Gran begriff, dass er Zeit schinden musste. Er setzte sich ans Telefon und rief
Terje Plesner an.
»Terje? Hier ist Brede. Und, scheint in der
Tordenskjoldsgate auch so schön die Sonne?«
Noch sechs Minuten bis zum Ablauf der Frist. Gran erzählte
das Blaue vom Himmel, er behauptete, dass seine Leute dabei waren, ein
Alternativangebot zu berechnen, und sie jeden Moment eine Antwort erwarteten.
»Wie geht es übrigens Ihren Lachsen? Ist Zuchtslachs eine gute
Investition?«
Noch vier Minuten. Gran umklammerte den Telefonhörer und
ließ seinem Mundwerk freien Lauf, während er ungeduldig und ängstlich zur
Tür schaute. Er babbelte und babbelte, doch kein Vebjørn Lindeman
erschien.
Noch drei Minuten. Gran lallte in den Hörer. Der Schweiß
rann in Strömen über sein Gesicht.
Noch zwei Minuten. Brede Gran schlug mit der Faust auf den
Tisch, traf eine Untertasse, sodass die Kaffeetasse durch die Luft segelte und
in tausend Stücke zersprang, als sie auf dem Boden aufschlug. Doch noch ehe
die Tasse sich auch nur einmal um sich selbst gedreht hatte, brüllte er ins
Telefon: »Ich kaufe! Eine Krone über Néslien!«
Plesners Antwort war schwach und unterkühlt: »Warten Sie,
ich stelle Sie durch zu Erling Sachs.«
Die Zeit stand still. Erlings Stimme erklang in der Leitung.
»Sie erhöhen also zwei Kronen pro Aktie? Schön, Gran. Aber wir sprechen hier
von einer halben Milliarde Kronen.
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