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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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unbeholfen in den Herbstregen hinausbewegte, verspürte Erling ein
fieberähnliches Gefühl. Doch seine Hände zitterten nicht. Denn der Ball war
noch nicht im Tor.
    Zurück im Büro faltete er die Aktienpapiere vorsichtig
zusammen und steckte sie in die Innentasche. Schon wenn er selbst als Käufer
der drei Aktien zum Kurs des Vortags einstieg, würde er nur durch den
Besitzerwechsel einen Nettogewinn von 150 000 erzielen – ein fettes
Jahresgehalt, ein fettes Jahresgehalt, das er sich direkt in die Tasche stecken
könnte. Aber der Gewinn würde noch viel höher ausfallen. Denn morgen würden
die drei Aktien noch mehr wert sein, einige tausend Kronen mehr. Erst dann
würde er sie verkaufen.
    Ein einziges Hindernis blieb noch. Er musste das Geld
besorgen, um das Sparbuch der Frau aufzufüllen. Die Zeit war knapp. Aber er
wusste, wie er vorzugehen hatte. Er griff nach dem Hörer. Einer seiner wenigen
Bekannten aus Studienzeiten, Anwalt Kyrre Hvalstad in der Dronningens Gate,
schloss seine Kanzlei um vier Uhr.
    Eine Woche nachdem Erling die Schiffsaktien weiterverkauft,
Kyrre Hvalstad seine Außenstände zurückbezahlt und eine Summe verdient
hatte, von der er kaum je zu träumen gewagt hatte, küsste ihn erneut ein
Engel: Auf dem OPEC-Gipfel in Algier fassten die Nahoststaaten einen Beschluss.
Man entschied, den Ölexport um fünfundzwanzig Prozent zu senken.
    Erling musste sich sehr zusammenreißen, um seinen inneren
Aufruhr nicht zu zeigen. Er beneidete seinen Schwiegervater nicht. Er stellte
sich einen Bergwanderer vor, der auf Skiern eine frühlingsschwere Schneewehe
überquerte und plötzlich eine gefährliche Schlucht unter den Füßen
spürte.
    Doch an Georg Spennings Gesicht war nichts abzulesen. Noch
nicht. Auch nicht drei Wochen später, als die Araber den Ölpreis um
hundertdreißig Prozent anhoben. Das war die erste in einer Reihe
angekündigter Preiserhöhungen.
    Aber Erling blieb die Freude verwehrt, die Reaktion des
Schwiegervaters auf die Preiserhöhungen an seinem Gesicht abzulesen. Denn
kurze Zeit später wurde Georg Spenning mit dem Rettungswagen ins Bærumer
Krankenhaus gefahren. Herzinfarkt.
    Erling erwähnte den Ölpreis und die Tankerflotte mit keinem
Wort. Er übersah die Schamesröte, die auf Bette Lines Wangen brannte. Ganz
der gute Ehemann, der er war, tat er alles, um sie zu trösten.
    An dem Tag, als der Schwiegervater den zweiten Infarkt
erlitt, ins Rikshospital überführt wurde und um sein Leben kämpfte –
Montag, den 17. Dezember 1973 –, konnte sich Erling in seinem Büro in der
Kreditabteilung der CBK Bank die Titelseite der
Aftenposten
ansehen
und bekam dort eine der lustigeren Folgen der arabischen Maßnahmen gegen die
israelfreundlichen Staaten vorgeführt: Man sah ein Bild von König Olav, der
mit der Straßenbahn zu seiner sonntäglichen Skitour aufbrach.
    Was nun mit der riesigen Tankschiffflotte seines
Schwiegervaters passieren würde, thematisierte er aus Höflichkeit weder mit
Bette Line noch sonst jemandem. Er wusste, dass er es rechtzeitig in der
Zeitung lesen würde. Die norwegische Seefahrt steckte in der Krise. Die ganze
Welt steckte in der Krise.

5
    Anders und Stian saßen in Stians Zimmer und tauschten sich
über Frauenkörper aus. Stians Bruder war Gewichtheber. An den
Wohnzimmerwänden hingen Bilder, die ihn in seinem Gewichtheberanzug zeigten,
Reste von weißem Pulver am Kinn und auf der Brust. Stians Bruder hatte
Alle Menn
und
Vi Menn
abonniert, und Stian klaute die
Mittelseiten mit den Ausklappbildern von nackten Frauen. Die zerfledderten
Poster lagen zusammengefaltet unter seinem Kopfkissen. Anders blätterte durch
Bilder, die zeigten, wie sich nackte Frauen an Felsen oder Bäume im Wald
räkelten, während Stian sich sachkundig über Körper und Geschlechtsorgane
ausließ.
    »Das hier ist eine typische Muschi.«
    »Muschi?«
    »Cecilie hat so eine.«
    »Cecilie aus unserer Klasse?«
    Stian nickte.
    Anders dachte an Cecilie, ein blondes, hübsches Mädchen. Er
nahm noch einmal das zerknickte Poster in Augenschein, den Schritt des
Aufklappmädchens, die fast durchscheinende Behaarung mit dem silbrigen Glanz,
wie ihn manchmal Gräser zur Blütezeit haben. Er hatte Cecilie nackt gesehen.
Sie hatte sich das Handtuch heruntergerissen, als sie sich auf der Wiese im
Frognerbadet ihr Badezeug anzogen. Cecilie hatte keine Haare im Schritt gehabt.
Sie hatte mit gespreizten Beinen vor Anders gestanden und ihren

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