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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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unerreichbare Jagdtrophäen
blieben – angefangen bei der ersten Hauptrolle in den Masturbationsfantasien
ihrer Klassenkameraden, über die Zeit der Sprachreisen nach Brighton in
England (wo sie ihr sexuelles Debüt mit einem Lokalmatador erlebten, nachdem
sie sich im Pub besinnungslos getrunken hatten), bis hin zu dem Tag, an dem sie
mit ihren langen Beinen und hellen Haaren allen Männern der juristischen
Fakultät den Kopf verdrehten. Bette Line war die Wildere gewesen, die
Schönere und Unbändigere und auch die Begehrteste. Mit größter
Selbstverständlichkeit nahm sie sich den engsten Mitarbeiter ihres Vaters zum
Liebhaber. Und damit nicht genug. Als Vebjørn das Verhältnis beendete, um den
eigenen Familienfrieden zu retten, stellte sie ihr Zuhause auf den Kopf und
forderte von ihren Eltern bedingungslose Fürsorge und Trost.
    Bitten sah in ihrer Tochter eine jüngere Ausgabe ihrer
selbst. Gelegentlich hatte Bitten das Gefühl, die Tochter würde ihre eigenen
verdrängten Sehnsüchte ausleben. Bette Line war, da sie zu einer befreiteren
Generation gehörte, in der Lage, die klammen Normen und die Selbstzensur
abzulegen, unter denen Bitten viele Jahre ihres Lebens gelitten hatte. Als
Bette Line freudestrahlend ihre Verlobung mit Erling Sachs verkündet hatte –
einem Bankier aus der Provinz –, war Bitten Spenning automatisch davon
ausgegangen, dass die Tochter einen Scherz machte.
    Aber um nichts in der Welt hätte sie ihrer Tochter wehtun
können. Andererseits machte sie keinen Hehl aus ihrem Misstrauen gegenüber
dem Ehemann der Tochter. Und Bitten Spenning setzte von Anfang an die
psychologische Kriegsführung gegen ihren Schwiegersohn ein – mit aller
Schläue und dem Geschick, das sie in ihrer Zeit als Reedersgattin erworben
hatte.
    Anfangs hatte Erling sich auf den Schwiegervater verlassen
können, wenn der Druck der Schwiegermutter zu groß wurde. Doch diese Zeiten
waren nun auch vorbei. Wenige Wochen nach der Hochzeit beging Erling eine
Todsünde. Es war ein gewöhnlicher Sonntagnachmittag, und Georg Spenning
brüstete sich in Jungenmanier mit all seinen Plänen. Erling hatte das Wort
ergriffen und Georg Spenning davon abgeraten, weitere Tankschiffe zu kaufen –
genauer gesagt, fand er, dass der Reeder sich durch ein so großes Geschäft
wie den Kauf der gesamten Flotte der Reederei Samos angreifbar mache. Genauso
gut hätte er bei Tisch einen Furz lassen können. Diese Worte aus den
Abgründen der Gewöhnlichkeit hatten die Stimmung verdorben und die Luft im
Raum unerträglich werden lassen. Nach dieser Aussage war Erling für seine
Schwiegereltern eine Persona non grata. Obendrein wurde er an seiner
verletzbarsten Stelle getroffen. Und das vermittels der Tochter. Jedes Mal,
wenn Bette Line ihre Eltern besuchte, wurde ihr berichtet, welche
märchenhaften Summen derzeit die Schifffahrt einspiele, wie lächerlich die
Einwände ihres Mannes gewesen seien, was für ein Idiot er in Geschäftsdingen
sein müsse und welch paradoxe Lücke zwischen seinen Examensnoten und seiner
sonstigen Erscheinung klaffe.
    »Kaum verwunderlich, dass er es nicht weiter gebracht hat.
Das einzig Versöhnliche ist, dass er mit Vebjørn zusammenarbeitet.«
    Erlings gut gemeinter Rat an den Schwiegervater hatte sogar
den ersten Streit zwischen ihm und Bette Line ausgelöst.
    »Warum hast du das gesagt?«
    »Was hätte ich denn sonst sagen sollen? Warum bin ich
überhaupt eingeladen worden? Darf ich keine eigene Meinung mehr haben, oder
fahren wir nur dort hin, damit ich deinem Vater die Schuhsohlen lecke?«
    »Es gibt doch auch noch andere Themen als Papas
Schiffe.«
    »Aber ich weiß doch über solche Sachen Bescheid!«
    Erling verwies damit auf sein Examen in Volkswirtschaftslehre
und das Fernstudium in Fondsverwaltung, das er in den Abendstunden unter
Anleitung der Bankakademie absolvierte. Letzeres betrachtete die
Schwiegerfamilie als lächerlich.
    Eine Krise gärte zwischen Erling und Bette Line, ausgelöst
und am Leben gehalten durch die sozialen Gegensätze, die seit Erfindung des
Dramas jede große Liebesgeschichte kennzeichnen. Manchmal erinnerte Erling sie
daran: »Liebste, meine Julia, wann wirst du mich erhören?«
    Dann konnte Bette Line ihm unter Tränen um den Hals fallen.
Dennoch hatte sich die Krise in den letzten Wochen zum Schlechteren
entwickelt.
    Vier Monate nach der Hochzeit nämlich – am 6. Oktober –
hatten Ägypten und Syrien Israel

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