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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Kammmuschel oder
eine missgestaltete Muschel mit aufgebrochener Öffnung. Und dahinter kam,
Gipfel für Gipfel, ein weißes Zahngebirge zum Vorschein – ein Lächeln, das
keines war, eher das Grinsen eines Raubtiers, ein aufgesetztes Wolfsgrinsen
für Rotkäppchen in Großmutters Bett. Denn die glatten Brillengläser über
dem Lächeln waren zwei tote Flecken – und die vertraute Stimme von Sachs
sagte:
    »Anders! Dein Vater ist nicht da!«
    Anders zögerte noch immer. Er wusste, dass es am klügsten
wäre zu gehen, sich umzudrehen und das Tier mit den Reißzähnen hinter sich
zu lassen. Tief in seinem Inneren wusste er, dass etwas schiefgehen würde –
es musste schiefgehen, denn er befand sich in der Höhle des Löwen.
    In der folgenden Minute war die Münze in Erling Sachs’
Hand gefallen.
    »Bist du sicher, dass du sie eintauschen willst,
Anders?«
    Er spürte, wie sein Kopf auf und ab nickte.
    Danach fielen zwei Kronenstücke in seine Hand. Nicht mehr?
Er stand da und starrte auf seine Hand und die zwei Kronenstücke. Er hob den
Kopf und sah, wie sich die Konturen von Erling Sachs’ Gestalt in Nebel
auflösten.
Nein, jetzt nicht losheulen!
    »Zwei Kronen, Anders, du hast ein Zweikronenstück
eingewechselt.«
    »Ich dachte, es wäre viel mehr wert!«
    »Nein, nein, nein, das ist zwar eine alte Münze, aber trotz
allem ist es nur Geld, und Geld ist so viel wert, wie draufsteht.«
    In diesem Augenblick öffnete sich wieder die Tür. Dort
stand ein Mann in Anzug und mit einer braunen Aktentasche. Ein Mann mit
ausgestreckter Hand. Anders spürte Panik in sich aufsteigen und sah, wie der
Mann im Anzug sich wie in Zeitlupe bewegte. Er gab Erling Sachs die Hand.
Anders war für die beiden Männer unsichtbar. Und das Geld war weg. Die
Gedenkmünze, die er von Großvater bekommen hatte, war weg. Sachs hatte sie
genommen, und jetzt stand er da und schüttelte die Hand eines fremden Mannes.
Und er war nur ein Rotzjunge, der den Leuten im Weg war.
    Verzweifelt hielt Anders nach der Münze Ausschau. Sie lag
nicht auf dem Schreibtisch, nicht auf den Unterlagen von Sachs.
    Anders brach der Schweiß aus. Wo war das Geld?
    Erling Sachs’ Stimme holte ihn zurück in die
Wirklichkeit:
    »Das ist Lindemans Junge. Einen Moment.«
    Erling Sachs wandte sich an Anders: »Das ist eine Bank,
Anders, hier kannst du mit den Münzen aus deiner Spardose herkommen und sie in
Scheine umwechseln. Hier können aus einem Zweikronenstück zwei Kronenstücke
werden. Nicht wahr? So einfach ist das, und Papa ist heute nicht hier. Also,
dann wollen wir mal. Mal sehen, ob wir nicht dort hinten einen freien
Konferenzraum finden.«
    Anders stand da und schaute die Tür an, die sich hinter
ihnen schloss.
    Er dachte nicht. Sein Kopf quoll über von
Fantasievorstellungen über die Schmerzen und Qualen, die er den Mann leiden
lassen würde. Er war kein Teil mehr dieser Welt. Das war doch nicht er, der da
langsam den Bürgersteig entlangging, der loslief. Er befand sich an einem
anderen Ort: einem Ort, wo die Welt gerecht war, weil er den Rächer gab. Hier
bohrte er Lanzen und Speere durch die Körper von Leuten, die er nicht leiden
konnte. Mit der größten Inbrunst hasste er Erling Sachs. Daher hatte auch
nicht er den Blutgeschmack im Mund und wurde müde. Es war nicht er, der
ausrutschte und der Länge nach hinfiel. Auf keinen Fall war er es, der vor Wut
weinte. Er blieb auf dem Rücken liegen und sah hinauf in die Wolken, lange,
dann erhob er sich und setzte sich in Bewegung. Seine Rachelust war so groß,
dass sie ihm Übelkeit bereitete.
    Er befand sich im Garten, verborgen hinter der Hecke, die
sein Zuhause von Erling Sachs’ Grund trennte. Er drückte sich durchs
Gestrüpp. Ging zur Eingangstür. Stand auf ihrer Treppe. Las das Schild aus
gebürstetem Messing:
Erling und Bette Line Sachs.
    Er klingelte. Hörte nichts. Keiner da. Klingelte noch
einmal. Zog an der Tür. Unverschlossen. Er warf einen Blick über die
Schulter. Zog die Tür auf und ging hinein.
    Sein Herz schlug ebenso heftig wie der peitschende Schwanz
einer frisch gefangenen Forelle. Er war dabei, etwas wirklich Falsches zu tun.
Aber die Wut war noch immer stärker als die Furcht. Hatte ihn jemand gesehen?
Nein.
    Anders atmete mit geöffnetem Mund. Schlich an dem riesigen
Sofa vorbei, dem Glasregal, dem Bang & Olufsen-Plattenspieler, der einen
Arm wie eine Concorde hatte. Was sollte er tun? Wie sah die Rache aus? Panisch
blickte

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