Schwarzes Gold Roman
widerspenstigsten Rückenschmerzen zu
kurieren.
Bette Line Sachs vereinbarte einen Termin mit ihm, weil sie
Schmerzen in der Lendenwirbelsäule hatte. Erling meinte, dass die Schmerzen
von der Schwangerschaft herrührten. Bette Line glaubte das nicht. Erstens lag
die Geburt schon ein paar Jahre zurück. Zweitens war sie kräftig, es hatte
keine Komplikationen gegeben, und sie war gerne schwanger gewesen. Die Theorie
ihrer Eltern, Georg und Bitten Spenning, entsprang ihrem schlechten Gewissen.
Als Kind war Bette Line vom Wickeltisch gefallen. »Du warst so wild, du warst
ein völlig unkontrollierbares Kind!«
Nach nur zwei Behandlungen war es Aslan Shah gelungen, die
Rückenschmerzen in nichts aufzulösen. Aber jedes Mal, wenn sie bezahlte und
er mit langsamen Bewegungen in seiner großen, blauen Krankenakte mit
Karopapier blätterte, führten Bette Line und Aslan einen Einakter auf.
»Machen Sie mir einen neuen Termin?«
Schweigendes Nicken von Aslan Shah.
»In einer Woche?«
Nicken.
»Gleiche Zeit?«
Erneutes Nicken.
Bette Line Sachs war der Typ Frau gewesen, den man in vornehm
gebildeten Kreisen gerne als »Man-Eater« bezeichnete – was nichts anderes
bedeutete, als dass sie Männer benutzte, wie manche Männer Frauen benutzen.
Sie hatte nie irgendwelche Gefühle investiert – nicht, bevor sie sich mit
Vebjørn Lindeman eingelassen hatte. Diese Beziehung war eine alles
verschlingende und destruktive Affäre gewesen, eine ununterbrochene Achterbahn
verheerender Gefühle. Und obwohl der Verlust Vebjørns sie über längere Zeit
völlig fertiggemacht hatte, und obwohl sie noch immer ein flaues Gefühl im
Magen bekam und jeden Blickkontakt vermied, wenn sie sich begegneten, so war
sie in ihrer neuen Rolle als Ehefrau und Mutter trotzdem mit Freude und Eifer
aufgegangen. Es gefiel ihr wirklich, dem Bild der engagierten jungen Mutter,
die alles richtig macht, zu entsprechen. An diese Rolle waren verschiedene
Bedingungen geknüpft – Bedingungen, die sie mit Begeisterung erfüllte:
Beispielsweise erforderte die Rolle der erfolgreichen Mutter eine spezielle
Ausstattung. Inzwischen fuhr Bette Line eine Volvo-Luxuslimousine statt ihres
Zweisitzer MGB GT. Sie staffierte sich mit Kinderwagen, Kindersitzen und
Sportkleidung aus statt mit hohen Absätzen, Pelz und Schmuck. Sie trug
Kleider, die über die Knie reichten. Sie zog Sandalen und flache Schuhe an.
Bette Line wandte all ihr Wissen und Geschick an, um sich von einem
verwöhnten, reichen Partygirl in eine gutsituierte, sportliche Mama und
Ehefrau zu verwandeln. Die neue Bette vermisste die alte keineswegs. Seit dem
Bruch mit Vebjørn und der darauf folgenden Hochzeit verwendete sie neben der
Hausarbeit einen Großteil ihrer Zeit darauf, sich eine soziale Stellung zu
erkämpfen. Sie richtete das Haus ein und hielt es in Ordnung, schob den
Kinderwagen, ging mit ihrem English Setter Mira spazieren und dressierte ihn,
bepflanzte und bestückte den Garten, legte eine Windschutzmauer, einen
Grillplatz und ein Rosenbeet an. Sie sammelte antike Bauernmöbel und
integrierte sie in das moderne Interieur des Hauses. Für das fleißige
Hausmütterchen waren Männer kein Thema. Flirten war zu ungefährlichen
Spielchen und hohlen Phrasen an Silvester oder am 17. Mai degradiert.
Der einzige Mann, dem es gelungen war, einen winzigen Funken
des einstigen Wildfangs zum Leben zu erwecken, war der bescheidene Inder Aslan
– und er hatte es geschafft, ohne es zu merken. Als Bette Line sich zum
ersten Mal auf seine Liege gelegt hatte und sich massieren ließ, fand sie nach
fünf Jahren wieder Gefallen an der erfahrenen Berührung eines Mannes. Was
nicht bedeuten soll, dass Bette Line das Liebesspiel mit ihrem Mann missfiel.
Es war nur so, dass Erling ein Mensch war, der kein ausgeprägtes Verhältnis
zu seinem Körper hatte. Seine Sexualität lief nahezu automatisch ab, im Bett
verhielt er sich, wie Darwin sich die menschliche Fortpflanzung vorgestellt
hatte: Sie war ein Impuls, ausgelöst durch ein Gen, das den Menschen zur
Produktion von Nachfahren antrieb.
Auf dem Bauch zu liegen und sich von Aslans warmen Händen
berühren zu lassen, das war, wie auf einer sonnigen Karibikinsel aus dem
Flugzeug zu steigen, nachdem man sich an einem regennassen Herbstabend
fröstelnd aus Norwegen davongemacht hatte.
Bette Line wusste augenblicklich, dass dieses Wiedererwachen,
die Erkenntnis eines körperlichen Mangels, lebensgefährlich
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